Barroso-Fahrt schlägt Wellen

Großbanker Spiros Latsis, in Geschäfte mit EU-Gelder in Osteuropa involviert, lud Kommissionspräsident zu Seereise ein. Neuer Zündstoff für Referendum in Frankreich

BRÜSSEL taz ■ Pünktlich zum Beginn der französischen Kampagne zur EU-Verfassung ist in Brüssel ein Stinkbömbchen geplatzt. Kommissionspräsident José Barroso war vergangenen Sommer mit seiner Familie eine Woche lang auf Kreuzfahrt. Bezahlt hat sein Studienfreund, der griechische Banker, Reeder und Milliardär Spiros Latsis.

Noch gestern Mittag bestritt Barrosos Sprecherin Francoise Le Bail, dass der freundschaftliche Törn einen Interessenkonflikt darstellen könnte. Barroso habe sein Amt schließlich erst im November angetreten, und die Latsis-Gruppe mache keine Geschäfte mit der EU. Tatsächlich hatte Barroso zehn Tage vor der Reise die Namen der neuen Kommissare in Brüssel bekannt gegeben. Und ein Sprecher der Latsis-Gruppe erklärte am Nachmittag auf Anfrage, die Bank wickele in Rumänien und Bulgarien Kredite im Auftrag der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ab.

Nigel Paul Farage, Europaabgeordneter der britischen UKIP, hatte mit einer Anfrage an die Kommission den Skandal losgetreten. Barroso hatte daraufhin vergangenen Dienstag bei der Kommissionssitzung in Straßburg seine Kollegen gefragt, ob sie sich während der vergangenen fünf Monate zu Reisen hätten einladen lassen. Nach einem gestrigen Bericht der Tageszeitung Die Welt mussten die Dolmetscher und Mitarbeiter zuvor den Raum verlassen. Barrosos Sprecherin bestritt das. Die Kommissare haben im November einen Verhaltenskodex unterschrieben, nach dem sie Geschenke in einem Wert von mehr als 150 Euro nicht annehmen dürfen. Neben Barroso outete sich Handelskommissar Peter Mandelson, der zur Jahreswende von Freunden in die Karibik eingeladen worden war.

Farage, dessen Partei Großbritanniens Austritt aus der Union betreibt, hätte seine Anfrage zeitlich nicht günstiger platzieren können. Die europafeindliche Stimmung in Frankreich erhält dadurch neue Nahrung. Und Frankreichs Staatschef Jacques Chirac, der schon an der Debatte um die Dienstleistungsrichtlinie wenig Freude hatte, dürfte sich ein weiteres Mal bei Barroso für dessen indirekte Wahlhilfe für die Verfassungsgegner bedanken. DANIELA WEINGÄRTNER

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