Explosion der Wut im Senegal

WAHL Der steinalte Präsident Abdoulaye Wade darf erneut für das höchste Staatsamt kandidieren, der Musikstar Youssou N’Dour nicht. Schwere Unruhen erschüttern Dakar

Repräsentativ für die protestierende Jugend ist der 52-jährige Youssou N’Dour nicht

VON DOMINIC JOHNSON

BERLIN taz | Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl am 26. Februar sind in Senegal schwere Unruhen ausgebrochen. Ein Polizist wurde getötet, Autos und Geschäfte gingen in Flammen auf. In der Hauptstadt Dakar und anderen Städten lieferten sich in der Nacht zum Samstag junge Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei, nachdem der Verfassungsrat des Landes am Freitagabend die Kandidatur des amtierenden Staatspräsidenten Abdoulaye Wade zu einer dritten gewählten Amtszeit zugelassen hatte, obwohl die Verfassung nur zwei vorsieht.

„Wade, dégage!“ (Hau ab!) skandierten Protestler in Anlehnung an die Revolte in Tunesien, die vor gut einem Jahr zum Sturz des Diktators Ben Ali geführt hatte, und „Das Volk will den Sturz des Regimes“ in Anlehnung an die nachfolgende Revolution in Ägypten.

Die seit Monaten aktive jugendliche Protestbewegung Senegals will sich an den Umstürzen Nordafrikas ein Beispiel nehmen. Am Samstagabend rief die Oppositionskoalition „M-23“ zum friedlichen „Widerstand“ gegen Wade auf. Zuvor waren mehrere ihrer Führer von der Polizei festgenommen worden, darunter ihr Chef Alioune Tine, einer der bekanntesten Menschenrechtsaktivisten Afrikas.

Bei einem Marsch zum Polizeigebäude, wo Tine festgehalten wird, wurden weitere Oppositionelle von der Polizei misshandelt, darunter der weltweit bekannte Musikstar Youssou N’Dour. Dessen Kandidatur für die Präsidentschaftswahl war von Senegals Verfassungshütern abgelehnt worden. Von den 12.936 Unterschriften, die N’Dour eingereicht habe, seien nur 8.911 gültig gewesen, während das Gesetz 10.000 verlangt, erklärten die Verfassungsrichter.

N’Dours Wahlkampfteam weist das zurück und sagt, man habe eigentlich noch viel mehr Unterschriften. „Ich bin und bleibe Kandidat“, sagte N’Dour. In einem Interview am Sonntag warnte der Musiker: „Ich habe nie zur Gewalt aufgerufen, aber ich kontrolliere meine Anhänger nicht mehr.“

Youssou N’Dour könnte nun zum internationalen Gesicht des senegalesischen Protests werden, nachdem seine Präsidentschaftskandidatur bislang in Senegal selbst relativ wenig Echo gefunden hatte. In seinem Heimatland kennt man den Musikstar eher als reichen Geschäftsmann. Repräsentativ für die protestierende Jugend ist der 52-Jährige nicht. Und Senegal ist eigentlich kein Polizeistaat, sondern die älteste Mehrparteiendemokratie des frankophonen Afrika. Doch Abdoulaye Wade hat es geschafft, Senegals Image als Bastion von Stabilität und Toleranz in Westafrika zu zerstören.

Die Wahl des Führers der liberalen Demokratischen Partei Senegals (PDS) zum Präsidenten im Jahr 2000 hatte einer 40-jährigen Herrschaft der senegalesischen Sozialisten ein Ende gesetzt. Damals galt Wade als Erneuerer. Doch seine Herrschaft geriet erratisch. Wade sieht sich als Vordenker einer Erneuerung Afrikas, aber ausgerechnet von Nordkorea ließ er in Dakar ein gigantisches „Monument der afrikanischen Renaissance“ bauen. Er hat massiv in Senegals Infrastruktur investiert, aber mit pharaonischen Bauprojekten eine reiche Elite herangezüchtet, während die Jugendarbeitslosigkeit hoch bleibt.

Proteste erschütterten Senegal bereits im vergangenen Jahr. Inzwischen hat der Kampf gegen eine dritte Amtszeit für Wade die politische Opposition und die protestierende Jugend geeint. 2001 hatte Wade mit einer neuen Verfassung erstmals eine Begrenzung der Amtszeiten des Präsidenten eingeführt: statt einer unbegrenzten Anzahl von Siebenjahresmandaten sollte der Staatschef jetzt nur noch zweimal fünf Jahre regieren dürfen. So wurde Wade im Jahr 2007 nach sieben Jahren im Amt für fünf Jahre wiedergewählt. Diese Amtszeit geht jetzt zu Ende.

Aus Wades Sicht war das seine erste Amtszeit unter der neuen Verfassung, also kann er jetzt erneut antreten. Aus Sicht der Opposition war es seine zweite gewählte Amtszeit, also kann er es nicht. Hinzu kommt, dass 2008 per Verfassungsänderung das Mandat des Präsidenten erneut auf sieben Jahre verlängert wurde. Würde der alte Wade jetzt wiedergewählt werden, wäre er also bis 2019 im Amt – wenn er nicht, wie Kritiker befürchten, vorher die Stafette an seinen Sohn Karim Wade übergibt.