„Der EU tritt man aus Liebe bei“

Allen Skeptikern zum Trotz ist die bulgarische Europaministerin Meglena Kuneva überzeugt, dass ihr Land zum 1. Januar 2007 alle Kriterien für eine Mitgliedschaft erfüllt. Daran ändert auch ein möglicher Regierungswechsel nichts

taz: Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu hat unlängst gesagt, sein Land sei noch nicht reif für den Beitritt zur EU im Jahre 2007. Welches Zeugnis stellen Sie Bulgarien aus?

Meglena Kuneva: Die EU-Kommission hat uns im vergangenen Jahr einen guten Bericht ausgestellt, der Grund genug war, die Beitrittsverhandlungen abzuschließen. Doch ich möchte auf keinen Fall das Bild eines idealen Landes malen. Uns stehen noch 21 Monate harter Arbeit bevor. In dieser Zeit werden die Kommission und die Mitgliedstaaten streng kontrollieren, ob wir unsere Hausaufgaben erledigen. Ich glaube, wir werden das schaffen und 2007 auf die Mitgliedschaft vorbereitet sein.

Brüssel kritisiert besonders Defizite im Justizwesen und den hohen Grad von Korruption. Auf der Liste von Transparancy International rangiert Bulgarien auf Platz 51. Wie wollen Sie diese Probleme in den Griff bekommen?

Bulgarien bewegt sich in den letzten Jahren auf der Liste von Transparancy International stetig nach oben. Dennoch unterschätzen wir diese Probleme nicht. In den Bereichen der Strafverfolgung und des Verwaltungsrechts haben wir Reformen eingeleitet. Ich hoffe, dass wir bis zum Ende des Jahrs eine neue Strafprozessordnung haben werden, die wesentliche strukturelle Probleme lösen wird. Was wir jedoch noch brauchen, ist eine neue Ethik, ein Umdenken in der Gesellschaft. Gerade deshalb hat der EU-Beitritt für uns eine sehr positive Bedeutung. Denn durch die noch engere Zusammenarbeit beispielsweise mit ausländischen Investoren kommt auch eine neue Kultur ins Land. Die werden wir übernehmen.

Auch beim Minderheitenschutz liegt noch Einiges im Argen. Die Diskriminierung von Roma ist an der Tagesordnung, die meisten Angehörigen dieser Minderheit haben keine oder nur eine äußerst mangelhafte Schulbildung.

In Bulgarien ist der Minderheitenschutz kein politisches Problem. Alle haben den gleichen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsplätzen. Aber natürlich sind in einem Land, das eine wirtschaftliche Transformation durchmacht, immer die am stärksten von Armut betroffen, die schlecht ausgebildet sind. Wir haben spezielle Bildungsförderprogramme für Roma und unterstützen sie auch bei der Arbeitssuche. Doch müssen wir darauf achten, dass nicht ein Effekt positiver Diskriminierung eintritt, denn es gibt auch viele arme Bulgaren. Zudem hat Bulgarien in diesem Jahr die Dekade der Integration der Roma eröffnet, die die Lösung der Probleme auf europäischer Ebene angeht.

Die bulgarische Regierung hat beschlossen, das Atomkraftwerk in Belene weiterzubauen. Kritiker behaupten, der Standort befinde sich in einem erdbebengefährdeten Gebiet. Sollte das zutreffen, wäre das kaum eine Empfehlung für Brüssel.

Die beiden Reaktoren drei und vier von Kozloduj werden bis 2006 abgeschaltet. Damit hat Bulgarien bewiesen, dass sich das Land in Fragen der Sicherheit sehr verantwortungsvoll verhält. Genauso wird es auch im Fall von Belene sein. Wenn es um Sicherheit geht, wird es keinen Kompromiss geben.

Am 25. Juni finden Parlamentswahlen statt. Jüngsten Umfragen zufolge wird es zu einem Regierungswechsel kommen. Besteht die Gefahr, dass sich dann die Reformen verzögern?

Ich glaube nicht. Die Bevölkerung will mehrheitlich den Beitritt zur EU. Keine politische Partei kann es sich leisten, diesem Wunsch nicht zu entsprechen.

Die Zahl derjenigen, die einem EU-Beitritt Bulgariens skeptisch gegenüberstehen, wächst. Was sagen Sie diesen Leuten?

Skeptiker glauben zuallererst nicht an sich selbst. Und diese Unsicherheit sich selbst gegenüber macht sie auch unsicher gegenüber anderen. Bulgarien bringt das nach Europa mit, was auch die anderen Staaten mitbringen. Wir sind Menschen, und wir haben genauso ein Potenzial wie andere Länder auch. Der EU tritt man nicht bei wegen der Mitgift bei, sondern aus Liebe.

INTERVIEW: BARBARA OERTEL