Polizei dämpft Frühlingsgefühle

Ist die „Aktion Frühlingszauber“ der Polizei nur Ordnungshokuspokus? Radfahr-Lobbyisten wollen gegen unsinnige Strafen für Radler im Bußgeldkatalog vorgehen. Gestritten wird um eine Sekunde

VON SEBASTIAN SEDLMAYR

25 Euro, so viel kann eine Sekunde kosten. Das müssen Radfahrende mindestens zahlen, wenn sie bei Rot eine Radfahrer-Ampel ignorieren. Das gilt vor allem dann, wenn die Ampel noch nicht mal eine Sekunde lang auf Rot stand. Ein „gewöhnlicher Rotlichtverstoß“ ist das in der Amtssprache, wie das Bundesverkehrsministerium auf taz-Anfrage bestätigte. Steht die Ampel schon länger als eine Sekunde auf Rot, sind Radelnde sogar mit 62,50 Euro dabei.

Seit 21. März nimmt es die Kölner Polizei damit sehr genau. Zahlreiche Radfahrer und ihre Vehikel wurden bereits in der „Aktion Frühlingszauber“ gefilzt. Allein bei einer Massenrazzia vergangener Woche verteilte die Kölner Polizei 150 Verwarnungen gegen Radfahrende. In 79 Fällen hagelte es die umstrittenen 25 Euro Bußgeld für das Überfahren einer roten Ampel.

Bleibt sportlichen KölnerInnen also nur die Alternative Vollbremsung oder 25-Euro-Bußgeld? Denn die meisten Radampeln in der Domstadt haben keine Gelbphase. Die Radlerlobby will daher jetzt bei solch absurden Verkehrsverordnungen auf die Bremse treten. „Der Bundesrat muss sich der Sache annehmen und sehen, wie praxisnah diese Vorschrift überhaupt ist“, fordert der Fahrradbeauftragte der Stadt Köln, Thorsten Claußen.

Veränderungen im Bußgeldkatalog könne nur der Bund bewirken. Eine Initiative zur Änderung des Katalogs, schlägt Claußen vor, könnte beispielsweise das Land NRW einbringen.

Argumentationshilfe bekommt Claußen vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Bei diesen Regelungen handelt es sich um eine eklatante Benachteiligung der Fußgänger und Radfahrenden“, sagt der Kölner VCD-Vorsitzende Roland Schüler. Er schlägt vor, dem Beispiel Düsseldorfs zu folgen. Dort gibt es auch für Fußgänger- und Fahrradampeln die drei Phasen rot, orange und grün. „Für eine Änderung in Köln bräuchte man dann gar keine Bundesratsinitiative“, so Schüler.

Die Polizei begründet ihre Aktion mit der hohen Zahl an Unfällen, in die Radler verwickelt sind. Allein im April hätten in Köln elf Radfahrer schwere Verletzungen erlitten, nachdem sie mit Autos kollidiert seien, sagt Polizeisprecher Helmut Simon. Das Missachten roter Ampeln durch Radfahrer sei fünf Mal die Unfallursache gewesen.

Dabei ist auch den Beamten klar, dass Radler beim Überfahren roter Ampeln und anderen Verkehrswidrigkeiten in erster Linie sich selbst schaden.

Obwohl Raserei unter Radlern mittlerweile keine Seltenheit mehr ist, sind die Zweiradler an weniger als jedem zweiten Unfall selbst schuld. „Sechzig Prozent aller Unfälle, in die Fahrradfahrer verwickelt sind, werden von Autofahrern verursacht“, sagt Sprecher Simon.

An dem Einen-Sekunde-Verstoß will die Kölner Polizei allerdings festhalten. In der nächsten Woche werden die Beamten ihre Verkehrskontrollen fortsetzen. Schwerpunkte sollen Mülheim, Ehrenfeld und die Gegend um die Universität sein. Gegen Kontrollen ist allerdings auch nicht der städtische Fahrradbeauftragte Claußen: „Ich halte es schon für sinnvoll, Verstöße zu ahnden“, erklärt er.