PFAHLS: DAS AUGSBURGER GERICHT TRÄGT EINE GROSSE VERANTWORTUNG
: An den Grenzen der Wahrheitssuche

Das Geständnis eines Angeklagten ist für den interessierten Teil der Öffentlichkeit zunächst meist befriedigend. Auch deshalb, weil sich damit häufig die Hoffnung verknüpft, nun könne man endlich alle dingfest machen, die an einer Straftat beteiligt waren. Schön wär’s. Oft ist die Freude von kurzer Dauer. Dann nämlich, wenn sich herausstellt, dass der Angeklagte mit seinen Einlassungen vor allem um eine möglichst milde Strafe gekämpft hat.

Eine solche Rechnung geht gar nicht so selten auf. Nach dem Urteil wird die Angelegenheit zu den Akten gelegt, und die meisten Unklarheiten bleiben bestehen. Diese Gefahr droht jetzt, falls der ehemalige Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls vor der Augsburger Staatsanwaltschaft tatsächlich ein Teilgeständnis abgelegt hat.

Er soll Geld vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber erhalten haben. Angeblich nur deshalb, weil Pfahls irgendwie Lobbyarbeit betrieben hat. Ganz allgemein, versteht sich. Mit konkreter Unterstützung für ein Panzergeschäft mit Saudi-Arabien sollen die Zahlungen nichts zu tun gehabt haben. Falls dies zutrifft, wäre Pfahls lediglich der Steuerhinterziehung und der Vorteilsannahme schuldig – und nicht der Bestechlichkeit. Im Zweifel für den Angeklagten: Dieser Grundsatz muss auch für ein ehemaliges Regierungsmitglied gelten, das fünf Jahre lang untergetaucht war. Aber es geht hier nicht nur um den Angeklagten. Es geht auch um die Frage, ob die Regierung Kohl bestechlich war. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, alle ermittelbaren Fakten zu kennen.

Wenn Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht gemeinsam das Verfahren beschleunigen und deshalb die Beweisaufnahme verkürzen wollen, dann beschädigt dies die Glaubwürdigkeit der Justiz. Schlimmer noch: Es verstärkt den Eindruck, dass niemand dem Exkanzler mehr am Zeuge flicken will, der sich trotz der Spendenaffäre wieder großer Wertschätzung erfreut. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus: Je plausibler dieser Verdacht zu sein scheint, desto geringer ist das Ansehen öffentlicher Institutionen. Das Augsburger Gericht hat eine hohe Verantwortung. BETTINA GAUS