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Wenn ein Linker zu Grabe getragen wird

Ein Stadtbekannter ist gestorben. Er hat im Sozialbereich gearbeitet, auch für eine linke Tageszeitung und für eine Hochschule. Man könnte sagen: ein Szenetyp, aber das trifft es nicht ganz. Ein Linker, bekannt im Bremer „Viertel“, das schon. Doch ein linker Promi? Eher nicht. Ein guter Typ.

Die Trauerfeier ist gut besucht. Dresscode: Alltag. Der Trauerredner weist darauf hin, dass der Tote ein lustiger Mensch war, voller Anekdoten, stets lachbereit, oft geradezu albern. Die Vermutung erscheint nicht allzu kühn, dass der Verstorbene Lachen bei seiner Trauerfeier gut gefunden hätte. Man erinnert sich an witzige Details, also wird gelacht. Ein Chor – der Mann war Mitglied in einem Kunstprojekt von Menschen mit und ohne Behinderungen – der Chor also intoniert Kurt Schwitters Dada-Poem: „Blau ist die Farbe deines gelben Haares.“

Das Bremer „¼“, auch „Szeneviertel“ oder Oster- und Steintor hatte 2019 knapp 30.000 Einwohner und ist bekannt unter Architekten („Bremer Haus“), Wahlforschern (Grünwähleranteil 25 Prozent) und Nutzern der norddeutschen Grußformel „Moin“ (24/7).

Und am Ende will einer noch was sagen. Ein Chormitglied steht auf und spricht sichtbar mühsam, den Tränen nah von Liebe, Himmel und Gott. Sein Auftritt wirkt seltsam unmodern und erinnert an konventionelles Totenbetrauern. Eine Frau äußert später, ihr habe Trauerkleidung gefehlt. Man hätte sich wenigstens was Anständiges anziehen können. Burkhard Straßmann