Zäh wie Lederkäse

SPEZIALITÄTEN (I) Feinschmecker versuchen seit Jahren, den holsteinischen Lederkäse wieder zu etablieren. Jetzt soll er von der EU als regionales Produkt anerkannt werden. Doch Käser und Kundschaft tun sich damit schwer

„Ohne Hilfsmittel ist es schwierig, ihn so hinzukriegen, dass er schmeckt“

Annette Tenthoff, Käserin

VON GERNOT KNÖDLER

Nicht jeder Käse hat literarische Weihen. Der „Holsteiner Lederkäse“ schon: Bereits in Theodor Storms Kunstmärchen „Hinzelmeier“ aus dem Jahr 1858 wird er erwähnt – und mit dem Stein der Weisen verwechselt, wobei die Weisheit am Ende darin besteht, den Käse einfach aufzuessen. Erst vor wenigen Jahren wurde der magere Käse wiederentdeckt. Zurzeit läuft ein Anerkennungsverfahren als regionale Spezialität der EU.

Mit der Anerkennung versucht die schleswig-holsteinische Landwirtschaftskammer den Ruf des Landes als Käseregion zu stärken. Parallel läuft ein Anerkennungsverfahren für den „Holsteiner Tilsiter“. Zudem sorgt eine „Käsestraße“, auf der man von einem Produzenten zum anderen fahren kann, für öffentliche Aufmerksamkeit.

Der Tilsiter ist in Holstein sehr verbreitet. „Früher gab‘s hier gar nichts anderes“, sagt Bärbel Bischoff, die Vorsitzende des Vereins Schleswig-Holsteinische Käsestraße. Während es beim weit verbreiteten Tilsiter schwierig ist, ihn als regionale Variante schützen zu lassen, tritt beim Lederkäse das Problem auf, dass er so speziell ist, dass er nur mit viel Mühe wieder am Markt etabliert werden kann.

„Es ist ein bisschen ein zickiger Käse“, sagt Annette Tenthoff vom Kattendorfer Hof bei Kaltenkirchen, „beim Herstellen und beim Essen“. Der Lederkäse sei ein magerer Käse, so dass sich die Kundschaft von vornherein etwas schwerer damit tue. „Der war fast nicht zu essen – so trocken und hart war das Ding“, sagt der Käse-Affineur Markus Kober über die ersten Versuche, den alten Käse dem Vergessen zu entreißen.

Im Gegensatz zum Harzer wird der Lederkäse nicht aus Sauermilch, sondern wie die meisten Käse aus Süßmilch hergestellt. Durch Zugabe von Lab verklumpt die Milch zu einer körnigen Masse. Dieser Frischkäse wird geknetet und gepresst, um möglichst viel Molke daraus zu entfernen. Es entsteht ein fester Käse, der schnell eine ledrige Rinde bildet. Beim Affinieren wird er regelmäßig mit „Rotkulturen“ – einer mit Bakterienkulturen versetzten Salzlösung – gewaschen.

„Ohne Hilfsmittel ist es schwierig, ihn so hinzukriegen, dass er schmeckt“, findet Tenthoff. Dazu komme, dass die Milch bei der Herstellung stark entrahmt werden müsse. Über die hierzu nötige Zentrifuge verfüge der Hof nicht. Die Kattendorfer haben die Produktion deshalb wieder aufgegeben.

Damit sind sie nicht die Ersten: Im Mai 2001 präsentierte Manfred Drews, ein ehemaliger Professor der Bundesanstalt für Milchwirtschaft, die wiederentdeckte Spezialität zum ersten Mal auf dem Käsemarkt am Kiekeberg. Drews erzeugte den Lederkäse in einer kleinen Hofmeierei, die er aber nach kurzer Zeit wieder schließen musste. Die Meierei sei an gesetzlichen Vorschriften gescheitert, sagt Bischoff. Diese hätten Investitionen nötig gemacht, die eine so kleine Meierei unmöglich hätte schultern können.

Derzeit hat den Käse nur der Hof Dannwisch bei Elmshorn im Programm. Stets verfügbar ist er allerdings nicht, so dass er auch da nicht zu verkosten war. Der Hof Dannwisch habe den Lederkäse etwas modernisiert, sagt Bischoff vom Käsestraßen-Verein – das heißt unter anderem: etwas fetter gemacht. Er schmecke etwas milder als der salzig-saure Käse von Drews.

Der Affineur Kober findet, das Tobias Schüller vom Hof Dannwisch mit seiner modernisierten Version einen sehr schönen Magerkäse anbiete. Der Käse sei etwas fester und trockener als Tilsiter, sehe aber ähnlich aus. Ihn als regionale Spezialität zu schützen, sei sinnvoll. „Es ist schön, wenn es Käser gibt, die sich um solche Sachen kümmern.“