Weniger Glamour, längere Wege

Die Berlinale ist nun dezentral über viele Kinos und Theater verteilt. Stars kommen vereinzelt

Von Bert Schulz

Seit drei Jahren schon sind Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek die Lei­te­r*in­nen der Berlinale. Aber erst in diesem Jahr bekommt man – nach all den Sonderplanungen während der Pandemie – einen umfassenden Eindruck davon, was sie anders machen wollen als der von der Kritik zuletzt viel gescholtene Dieter Koslick: weniger Glamour, mehr Filmkunst – aber die breit wie nie über die Stadt verteilt. Für die Zu­schaue­r*in­nen bedeutet das: Vieles wird ein bisschen anders.

All jenen, die bereits seit Montag um Tickets kämpfen, ist das längst aufgefallen. Denn Karten gibt es nur noch online; die als Fotomotiv beliebten Schlangen vor allem in den Potsdamer Platz Arkaden haben Corona nicht überdauert. Während der Pandemie waren sie aus Hygienegründen entfallen; die Festivalleitung hat sich nun dagegen entschieden, sie wieder einzuführen.

Überhaupt ist der Potsdamer Platz spätestens seit diesem Jahr nicht mehr das, was er lange war: das Zentrum des Festivals seit dessen Umzug Ende der 90er Jahre dorthin. Schon seit einigen Jahren existiert das Multiplexkino Cinestar nicht mehr, damit fielen viele Säle weg. In diesem Jahr wird nun auch das andere Vielfachkino am Platz, das Cinemax, nicht mehr genutzt. Es bleiben das kleine Arsenal und der große Festivalpalast samt rotem Teppich für die zwei bis drei Premieren pro Tag im Wettbewerb. Mal sehen, ob sich so überhaupt noch Festivalatmosphäre einstellt.

Stattdessen verteilen sich die Abspielorte mehr denn je über die ganze Stadt. Im Südwesten ist mit dem Cineplex Titania ein großes Haus regulär hinzugekommen; im Osten wird die Verti Music Hall mit ihren fast 2.000 Plätzen zumeist für Wettbewerbswiederholungen genutzt und ersetzt damit den höchst unbequemen Friedrichstadtpalast. Zudem wurden die Kapazitäten im Cubix am Alex erweitert; das Silent Green ist feste Station für die Reihen Forum und Forum expanded; der Zoopalast wird voll genutzt und die Urania. Und die Reihe Berlinale goes Kiez gibt es auch noch.

Die Schlangen vor allem in den Potsdamer Platz Arkaden haben Corona nicht überdauert

Nicht wenige langjährige Berlinale-Fans bedauern diese Fragmentierung, auch weil sie lange Fahrzeiten nötig macht im derzeit durch viele Baustellen löchrigen ÖPNV. Wodurch werde sich ein Berlinale-Besuch dann noch von einem normalen Abend oder Nachmittag im Kino unterscheiden, fragen sich viele: Hoffentlich durch mitteilsame Gäste aus dem Filmteam, die nach der Vorführung für Fragen zur Verfügung stehen.

Auch der ganz große Promi-Reigen aus ­Hollywood dürfte ausbleiben: Angekündigt ist immerhin Steven Spielberg, der für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird, zudem Sean Penn, dessen Ukraine-Film läuft, Boris Becker, über den eine Dokumentation gezeigt wird, und die Schau­spie­le­r*in­nen Anne Hathaway, Cate Blanchett, Helen Mirren sowie Peter ­Dinklage und Willem Dafoe. Schauspielerin Kristen Stewart wird die meiste Präsenz haben: Sie ist Chefin der Jury, die über die Vergabe des Goldenen und der Silbernen Bären entscheidet. Eröffnet werden die Filmfestspiele am Donnerstagabend mit der Komödie „She Came to Me“ von Rebecca Miller. Bis zum 26. Februar werden insgesamt 280 Filme gezeigt.

berlinale 16/