die woche in berlin
: die woche in berlin

Heiße Luft ist schädlich für das Klima, trotzdem enthält das Klimapaket von R2G viel davon. Gegen Diskriminierung – sei es an Schulen oder durch Behörden – ist in Berlin trotz Landesantidiskriminierungs-
gesetz noch viel zu tun. Vor 40 Jahren kamen die ersten grünen Abgeordneten ins Landesparlament – was ist seither passiert mit der einst so unkonventionellen Partei?

Der Senat beschließt ein Klimapäckchen

Heiße Luft statt sinnvoller Maßnahmen beim Klimaschutz

Heiße Luft ist schädlich für das Klima: Die Erde erwärmt sich, der Meeresspiegel steigt, die Pole schmelzen ab. Darum gibt es ja auch das Ziel der Pariser Klimakonferenz, den Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das am Dienstag vom rot-rot-grünen Senat beschlossene Klimapaket enthält zwar nur im übertragenen Sinne zu viel von dieser heißen Luft, hilft dem Klima damit aber auch bloß in beschränktem Maße, weshalb sich die Einstufung als Klimapäckchen durchaus aufdrängt.

Ja, sicher, die Busse alle auf Elektrostrom umzustellen hilft weiter, genauso, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen oder Solaranlagen für Neubauten vorzuschreiben. Und so hat der grüne Umweltpolitiker Georg Kössler durchaus recht, wenn er sagt: „Wir schwingen nicht nur Sonntagsreden, sondern machen Klimaschutz ganz konkret für die Menschen.“ Aber eben noch nicht konkret genug

Denn nicht bloß heiß, sondern dünn wird die Luft im wichtigsten aller Punkte: beim Geld. Was die inzwischen berühmt-berüchtigte dritte Finanzierungssäule für die teure Verkehrswende sein soll – neben Fahrscheinerlösen und dem jährlichen Zuschuss aus dem Landeshaushalt, also Steuergeld –, lässt das vermeintliche Paket offen. Eine City-Maut? Ein BVG-Zwangsticket? Beides lehnt die SPD so sehr ab, wie die Grünen ihrerseits das auf SPD-Seite vor allem von Regierungschef Michael Müller geforderte 365-Euro-Ticket blockierten, das den Preis der jetzigen Jahreskarte knapp halbieren würde.

Es scheint leider das alte Spiel zu sein, im Kindergarten wie in der Politik: Bekomme ich meins nicht durchgesetzt, dann kriegst du deins auch nicht. So ist es sehr bedauerlich, dass statt der konkreten Jahreszahl 2030 für die autofreie – konkret: verbrennungsmotorfreie – Innenstadt bloß ein unverbindliches „mittelfristig“ im Text steckt. Es hätte einen gesunden Druck auf die Zuständigen erzeugt, wenn sie sich zu einem festgelegten Datum hätten messen lassen müssen. Außerdem hilft es, bei der Planung zu wissen, bis wann was funktionieren muss, von Ladestationen für E-Autos bis hin zu vielen weiteren Bussen in den Außenbezirken.

Es liegt letztlich am Wahlkampf, dem doppelten für Abgeordnetenhaus und Bundestagswahl, der sichtlich keine Atmosphäre für ein Aufeinander-Zugehen schafft: Jeder und jede befürchtet, als zu nachgiebig gegenüber den Interessen der politischen Konkurrenz dazustehen.

Das hilft dem Klima nicht weiter und auch nicht der Idee, die Umstellung auf einen weniger belastenden Verkehr so sozial wie möglich zu gestalten. Im Grunde kann man bloß die Tage zählen bis zur Wahl – ab Montag noch 105 – und auf eine schnelle neue Koalitionsbildung hoffen. Das künftige Regierungsbündnis, selbst wenn in gleicher Farbzusammenstellung, ist dann vielleicht von mehr Miteinander und passenderweise besserem Klima geprägt, als es die letzten Wochen und Monate des jetzigen sind.

Stefan Alberti

Im Grunde kann man bloß die Tage bis zur Wahl zählen – ab Montag noch 105 – und auf eine schnelle neue Koalitions­­bildung hoffen

Stefan Alberti über das am Dienstag vom rot-rot-grünen Senat beschlossene Klimapaketchen

Es gibt
noch viel
zu tun

Ein Jahr Berliner Antidiskriminierungsgesetz

Wie misst man den Erfolg eines Gesetzes? Diese Frage drängt sich immer auf, beim Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) ist sie besonders naheliegend. Denn was sagen uns die Zahlen, die die Leiterin der Ombudsstelle, Doris Liebscher, am Dienstag dieser Woche vorstellte? 315 Beschwerden von Bür­ge­r*in­nen gab es seit Inkrafttreten des Gesetzes vor einem Jahr über Diskriminierungen durch Mit­ar­bei­te­r*in­nen von Landesbehörden, davon betrafen 50 die Polizei, 111 drehten sich um Rassismus: Ist das nun viel oder wenig? Zeigen die Zahlen, dass Berlins Behörden eigentlich ganz ordentlich arbeiten – oder das Gegenteil?

Wie so oft ist das eine Frage der Perspektive. Polizeisprecher Thilo Cablitz nannte die Fallzahlen „gering“ – wenn er auch pflichtschuldig nachschob, dass „jede Beschwerde eine zu viel“ sei und das Dunkelfeld gewiss hoch. Liebscher dagegen hat die Zahl der Beschwerden überrascht – sie zeige, dass das Gesetz „schnell angenommen wurde von der Stadtgesellschaft“. Sie brächte allerdings auch an den Tag, wer nicht klage, so Liebscher: etwa Sinti und Roma, „obwohl sie mit am meisten diskriminiert werden“.

Zudem wurde aus Liebschers Auswertung wenig überraschend deutlich, wo Antidiskriminierungsarbeit am dringlichsten ist: bei der Polizei. Die Behörde bemühe sich zwar sehr um Kooperation, lobte Liebscher, zugleich hätte das erste Jahr aber auch gezeigt, dass es „Muster“ von Diskriminierung gebe. Etwa, wenn Be­am­t*in­nen Mehrheitsdeutschen eher glaubten als migrantischen Menschen – oder bei Diskriminierungen durch Kol­le­g*in­nen aus falschem Corpsgeist alles abstritten.

Dass die Polizei nicht der einzige Problembereich ist, zeigt der neue Monitoringbericht der Neuköllner Beratungsstelle Adas für Diskriminierungsschutz an Schulen, der am Mittwoch vorgelegt wurde. 289 Hilfegesuche bekam Adas zwischen 2018 und 2020, überwiegend von Schüler*innen, die sich von Leh­r­kräften diskriminiert fühlten. Auch hier könnte das LADG künftig Wirkung zeigen – wenn es sich bei Schü­le­r*in­nen und Eltern herumspricht und sie den offiziellen Beschwerdeweg wagen.

Bis der so richtig zündet, müsste der Gesetzgeber aber wohl noch mal nachlegen: Denn letztlich hilft bei uneinsichtigen Behörden nur der Klageweg. Dafür können Betroffene zwar die Hilfe von Antidiskriminierungsvereinen in Anspruch nehmen, doch auch die müssen die Prozesskosten irgendwo hernehmen und werden sich das nur bei absoluten Präzedenzfällen leisten können. Ohne Prozesskostenfonds könnte das Gesetz daher doch ein zahnloser Tiger bleiben.

Susanne Memarnia

Waren und sind die in derselben Partei?

40 Jahre Alternative Liste im Abgeordnetenhaus

Feiern in Zeiten des Wahlkampfs haben immer etwas Selbstbeweihräucherndes. Erst recht, wenn es um die Grünen geht. Die Wahl in Sachsen-Anhalt hat den grünen Höhenflug gestoppt, und im Spiegel schreibt Kolumnistin Bettina Gaus, das sei es dann wohl gewesen mit der Kanzlerinnenschaft von Annalena Baerbock.

Aber man muss sich ja nicht selbst beweihräuchern, wenn man, wie die Berliner Grünen, an die Zeit vor 40 Jahren zurückdenkt. Am 11. Juni 1981 zogen neun Abgeordnete der Alternativen Liste (AL) ins Westberliner Abgeordnetenhaus ein. Spielbein war das Parlament damals für die Neulinge, das Standbein war fest verankert in der alternativen Szene – und auf den Kreuzberger und Schöneberger Straßen, auf denen damals Geschichte geschrieben wurde.

Es war ehrlich, dass Fraktionschefin Antje Kapek 40 Jahre später auch an die Beinahe-Spaltung der Fraktion vor zehn Jahren erinnerte. Auf den Höhenflug in den Umfragen und die vorzeitige Inthronisierung von Renate Künast als Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin folgte damals die mehr als unsanfte Landung. Klaus Wowereit hatte noch mal aufgedreht und zeigte dann den Grünen die kalte Schulter, indem er mit der CDU koalierte. Nicht nur wegen der A100, sondern auch wegen der Stabilität. Da war es wieder, das Bild von den Grünen als unsicheren Kantonisten.

Und heute? Präsentiert Kapek mit Bettina Jarasch jene Grüne als Heilsbringerin, die damals (mit Daniel Wesener) das Kunststück fertiggebracht hatte, die tief zerstrittene Partei wieder zu einen. Soll wohl heißen: Die Zeiten des Streits sind vorbei, wir gehen geschlossen in den Wahlkampf.

Das glaube freilich, wer will. Bei der Aufstellung der grünen Kandidatenliste hat der Parteitag einer möglichen Rea­la als Regierungschefin mal eben eine Parlamentsfraktion ans Bein gebunden, die mehrheitlich aus dem linken Lager stammt. Und das soll dann wohl heißen: Pass bloß auf, dass du nicht zu viel Beinfreiheit verlangst, liebe Bettina, denn sonst könntest du am Ende ausrutschen.

Auf der anderen Seite kommt das Misstrauen gegenüber dem pragmatischen Flügel auch nicht von ungefähr. In Steglitz-Zehlendorf gab es bis vor einem Jahr noch keine Milieuschutzgebiete. Brauchte halt die schwarz-grüne Zählgemeinschaft im bürgerlichen Südwesten auch nicht für ihre Wählerinnen und Wähler.

Konfliktpotenzial steckt in den Grünen noch immer – vielleicht sogar noch mehr als in der SPD mit ihrer rechten Kandidatin und ihrem linken Landesverband. Es verschafft sich nur nicht Luft, solange die Umfragewerte stimmen. Beginnt mit Sachsen-Anhalt und Annalena Baerbock nun der grüne Sinkflug, kann sich das schnell ändern.

Schön war’s trotzdem, damals 1981. Und auch immer etwas unkonventionell. Einer der damaligen Novizen, Micha Wendt, hat als Baustadtrat einer Neuköllner Besetzergruppe 1989 einen Tipp gegeben, wo es noch was zu holen gibt. Heute verstecken sich Stadträte der Grünen wie in Pankow so sehr hinter Paragrafen und ihrer Verwaltung, dass man fast schon fragen möchte: Waren und sind die in derselben Partei? Uwe Rada