Europa vor Augen

Leverkusen schlägt Eintracht Frankfurt. Dort steigt die Angst, die Qualifikation zur Champions League doch noch zu verpassen

Als Fußballer gut, als Turner so lala: Leon Bailey bei der Rolle vorwärts Foto: dpa

Aus Leverkusen Andreas Morbach

Nach einem mühseligen Gang schräg über den halben Platz hatte Kevin Trapp seine Torwarthandschuhe und den roten Kulturbeutel erst mal neben sich auf den Boden plumpsen lassen. Nun stand Frankfurts Schlussmann etwas unschlüssig an der Seitenauslinie – als sich der Kollege Lukas Hradecky aus Leverkusen zu ihm gesellte. Die beiden Torhüter unterhielten sich ausführlich über den frischen 3:1-Erfolg der Werkself über den Champions-League-Anwärter.

Und der Jamaikaner Leon Bailey dürfte bei der Analyse eine zentrale Rolle gespielt haben. Hatte er Trapp mit einem Geniestreich doch dessen kleines Jubiläum verdorben. Bis dahin hatte der 31-jährige Keeper in seinem 200. Bundesligaspiel exzellent, gleich zu Beginn sogar einmal herausragend gehalten – gegen Bailey, der sich 20 Minuten vor Schluss dann revanchierte. Eine weite Flanke des kurz zuvor eingewechselten Moussa Diaby segelte über die gesamte Frankfurter Verteidigungsreihe hinweg, genau vor die Füße des karibischen Filous. Fast auf der Torauslinie stehend, ließ Bailey den Ball auf seinen linken Fußballschuh ploppen und von dort, durch Trapps Beine, über die Linie zum Leverkusener 1:0 hoppeln.

Die Meinungen über die Güte des Treffers und den Beitrag der Hauptbeteiligten drifteten später weit auseinander. „Das war ein Bilderbuchtor, wie man es eigentlich nur von Manchester City sieht“, urteilte Eintracht-Innenverteidiger Martin Hinteregger. „Erst mal trifft er ihn nicht gut, das ist das Problem“, widersprach der düpierte Trapp, der sich zudem wunderte: „Ich weiß gar nicht, warum man da über einen Torwartfehler spricht.“ Wie zum Beispiel sein Trainer Adi Hütter, der meinte: „Das darf ihm natürlich nicht passieren.“ Ehe er anschließend fast die halbe Mannschaft für das erste Gegentor mit verantwortlich machte. Über den Zubringer auf die Verliererstraße herrschte bei den Hessen also maximale Uneinigkeit.

Bei Sieger Leverkusen dagegen war klar, dass die Mannschaft im fünften Spiel unter Interimscoach Hannes Wolf zum ersten Mal die richtige Balance zwischen einer stabilen Defensive und anspruchsvollem Angriffsfußball gefunden hatte. Es war die beste Partie der Rheinländer unter dem beim DFB ausgeliehenen Übungsleiter, der Vier-Punkte-Vorsprung auf Union Berlin im Kampf um den mutmaßlichen Europa-Conference-Rang sechs hat Bestand.

„Das Gefühl ist umgeschwenkt“

Eintracht Frankfurts Martin Hinteregger ist skeptisch

Die Wahrscheinlichkeit, dass Wolf („Ich führe ein total privilegiertes Leben – entweder beim DFB oder hier“) die Leverkusener auch über den Sommer hinaus trainieren darf, ist am Wochenende zumindest nicht gesunken. Und die Aussagen des gebürtigen Bochumers zur eigenen Bilanz sowie zu Bayers Aussichten bekamen parallel dazu einen erkennbar offensiven Touch. „Zehn Punkte aus fünf Spielen sind gut, wir wollen den Weg aber auch zu Ende gehen“, sagte Wolf – und betonte: „Dieser Verein muss in Europa spielen, mindestens Europa League. Und wenn wir am letzten Spieltag in Dortmund die Chance haben, noch einen Platz nach oben zu rutschen, wäre das großartig.“

Exakt das gleiche Ziel verfolgt allerdings auch der BVB – der inzwischen auf Tuchfühlung zu Wolfsburg und Frankfurt auf den Königsklassenplätzen drei und vier gegangen ist. Zur Eintracht fehlt den Westfalen gerade noch ein Punkt – und auch bei diesem Aspekt gingen die Meinungen der Gejagten deutlich auseinander. „Das Gefühl ist umgeschwenkt in die Richtung, dass wir die Champions League verlieren können“, warnte Abwehrchef Hinteregger. Doch Chefcoach Hütter hielt auch hier dagegen und erklärte: „Wir können nicht mehr viel verlieren – aber etwas ganz, ganz Großes erreichen.“ Und: „Wir sind immer noch vorne, die anderen haben ein schweres Restprogramm, wir ein machbares.“