wortwechsel
: Eingeschworen auf das „Angstbild Virus“?

Kritiker der Regierungslinie sind „Corona-Skeptiker“? Etliche Leser finden die taz Bericht­erstattung zu einseitig: „Was ist dann eigentlich Herr Drosten? Ein Corona-Euphoriker?“

Ab jetzt nur noch mit Corona-Kopftuch? Einkaufsstraße in Halle (Saale), nach Ladenöffnung Foto: Hendrik Schmidt/dpa

„Verschwörungstheorien und Corona: Alternative Wahrheitssucher“,

taz vom 18./19. 4. 20

„Die gefühlte Mehrheit“

Lieber tazlerInnen, ich beobachte mich dabei, wie sich mein Nutzungsverhalten eures Mediums im Verlauf der Corona­krise verändert. Zunächst habe ich mich durch euch gut informiert gefühlt. Dann kamen durch Gespräche mit Juristen und vor allem Ärzten erste Zweifel bei mir auf. Mittlerweile nutze ich euer Angebot überwiegend dazu, mir einen Überblick zu verschaffen, wie die „gefühlte Mehrheit“ der Bildungsschicht wohl zum Geschehen steht. Ihr seid für mich von einem kritischen Informationsmedium zu einem Mainstream-Meinungsmedium geworden. Ich vermisse Berichte über Andersdenkende, ohne diese gleich herabzusetzen. Ich vermisse bei euch vor allem Berichte über die durchaus auch unter Fachleuten kontrovers geführte Debatte, wie diese neue Situation zu bewerten ist. Und da meine ich nicht nur Virologen und Mediziner, sondern auch Juristen, Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen. Und ich nehme insgesamt eine Tendenz wahr, Menschen, die nicht die Mehrheitsmeinung teilen und sich mit einer abweichenden Sichtweise zu Wort melden, als unverantwortliche, Menschenleben gefährdende Ignoranten und Spinner abzutun, anstatt sich gründlich mit ihren Argumenten zu beschäftigen. Damit tragt ihr in meinen Augen zu einer Verstärkung der allgemeinen Verunsicherung bei.

Ben Hadamovsky, Kreßberg

Corona-Euphoriker?

Ich habe die taz immer als pluralistisches Medium geschätzt, in dem Meinungsverschiedenheiten im linken Spektrum in Offenheit und gegenseitigem Respekt ausgetragen werden. Die Berichterstattung zu Corona empfinde ich als einseitig. Den Argumenten von Medizinern, die die Gefahr durch den Virus anders einschätzen als Herr Drosten, wird nicht ernsthaft Raum eingeräumt, diese Akteure kommen allenfalls als Randnotiz, aber nicht selbst zu Wort. Auch die Wortwahl ist zu oft (ab-)wertend: Kritiker der Regierungslinie werden mit Begriffen wie „Corona-Skeptiker“ belegt – eine Abwandlung von „Klima­skeptiker“ mit eindeutigem Geschmäckle. (Und was ist dann eigentlich Herr Drosten? Ein Corona-Euphoriker?) Gerne nennt man sie auch „Corona-Verschwörer“, „Verschwörungstheoretiker“ oder gar „braune Infektionskette“. Ich glaube, eine Zeitung mit der Geschichte der taz, hat eine derart ausgrenzende Sprache und Praxis nicht nötig. Sie hat vielmehr die Pflicht, auch fundamental staatskritischen Positionen von links Raum und Stimme zu verleihen, einen Diskursort links des Mainstreams anzubieten. Stephan Krüger, Nehren

Ängste differenzieren

„Wo bleibt der Protest?“,

taz vom 18./19. 4. 20

Ich wünsche mir umfassendere Recherchen und Berichterstattung von verschiedenen Wissenschaftlern. Ich will hinterfragen dürfen, auch die Ängste differenzieren. Ich finde es aber schwer, mir eine Meinung zu bilden, wenn nur eine Meinung zugelassen wird und wir eingeschworen werden auf das Angstbild Virus. Ich habe andere Ängste – Angst, dass unsere Demokratie Schritt für Schritt durch den Umgang mit Covid-19 ausgehebelt wird. Ich habe Angst um unsere Kinder, Erstklässler, die den Anschluss verlieren, Abiturienten und andere Jugendliche, die ohnehin vielleicht schon zur Isolation neigen, jetzt erst recht aus dem System fallen, Eltern, die überfordert sind mit der Doppelfunktion Homeoffice und Kinderbetreuung, Großeltern, die jetzt ihre Kinder und Enkel nicht sehen, allein zu Hause oder im Heim sind, aus Isolation krank werden und allein sterben.

Dorothea Richartz, München

„Locker ins Desaster“, taz vom 20. 4. 20

Falsches Pathos!

Anstatt in einer schwierigen Situation ruhig und abgewogen Urteile zu fällen, wird Laschets falsches Pathos, „es geht um Leben und Tod“, im Titelkommentar aufgegriffen! Ja, natürlich, was denn sonst? Es geht immer um Leben und Tod, ob im Straßenverkehr oder im normalen Krankenhausbetrieb, ob im Haushalt, Heim oder am Arbeitsplatz. Dabei sind wir doch hierzulande gut gepampert, während anderswo Millionen an Malaria oder Hunger sterben und keinen interessiert’s. Da werden hier hektisch Eingriffe in Grundrechte flächendeckend verordnet, ohne die Parlamente um Zustimmung zu fragen. Es wird nicht auf die Stimmen der Epidemiologen gehört, die immer wieder beklagen, dass für verlässliche Aussagen, entscheidende Parameter wie Manifesta­tionsrate von Symptomen, also der Anzahl der tatsächlich Erkrankten unter den Infizierten, der Anteil von Hospitalisierten an den Erkrankten, die Rate der Intensivpatienten fehlen. Stattdessen werden hauptsächlich Virologen zitiert, die aber zu der Verbreitung in Populationen eher wenig Qualifiziertes aussagen können. Es sind eben nicht die exponentiellen Verläufe aus mathematischen Modellen (die immer nur so gut sind wie die verwendeten Randbedingungen, welche wiederum unzureichend bekannt sind), die das Geschehen bestimmen, sondern biologisch immunologische Faktoren, die in die Verläufe eingreifen und sie determinieren. Hellmuth Lilienthal, Essen

Zurück ins pralle Leben?

Ich stimme Klaus Hillenbrand zu, dass es vermutlich derzeit kein gutes Zeichen für die Gesellschaft ist, wenn nun das große Hauen und Stechen darum losgeht, wer als Erstes wieder Zugang zum „prallen Leben“ bekommt. Es geht aber auch um Menschen in der Einsamkeit, es geht um psychisch Kranke, die nicht versorgt sind, es geht um Kulturschaffende, die kein Einkommen haben, um Wohnungslose und viele andere. Es geht darum, dass diese Menschen überhaupt wieder am Leben teilhaben können! Deshalb wünsche ich mir dringend differenzierte Sichtweisen auf die Gesamtsituation, denn nur sie ermöglichen es, wieder alle in das gemeinsame Boot zur Krisenbewältigung zu holen. Elisabeth Benzing, Nürnberg

Der Tanz der Stare

betr.: SchwarmintelligenzZwei Bilder lassen mich nicht mehr los: Zum einen die Brown’sche Molekularbewegung, die wir Menschen als aneinander stoßende Pünktchen simulieren. Je mehr wir zusammenstoßen, desto heißer wird es; für Corona bedeutet das, wir heizen die Infektionsrate an. Zum anderen denke ich an die Starenschwärme über Rom: https://www.youtube.com/watch?v=29kBPei09sI Faszinierend, wie Tausende von Staren Figuren an den Himmel über Rom zaubern, die wir sonst aus Computersimulationen kennen. Kunst in höchster Form. Die Stare stoßen nicht zusammen, es gibt keine Unfälle, sie halten die Mindestabstände exakt ein. Das ist ihre Schwarmintelligenz! Und sie dient der Selbstverteidigung. Wenn wir als Gesellschaft individuell intelligenter Menschen lernen, eine Schwarmintelligenz zu entwickeln, die uns bei stärkerer Annäherung aneinander automatisch instinktiv einen Mindestabstand einhalten lässt, und wenn wir dann auch noch einen Mundschutz tragen, dann ist der Verbreitung des Coronavirus schon ein kräftiger Riegel vorgeschoben. Winfried Plesch, Schriesheim