Die Liebe in Zeiten der Mauer

AUSSTELLUNG Zeitzeugen berichten in der Friedrichshainer Zwingli-Kirche von persönlichen Erlebnissen während der Zeit der Berliner Teilung. Etwa das Ehepaar Stachowitz, das durch die Mauer getrennt wurde

Es ist ruhig. Nur das Knarren des dunklen Dielenbodens und andächtiges Flüstern sind zu vernehmen. Ganz vorn stehen drei schwarze Stühle vor einem kleinen, weißen Tisch. Der Raum füllt sich. Knapp 30 Menschen finden am Mittwochabend den Weg in die Zwingli-Kirche in Friedrichshain. „Schön, dass Sie alle gekommen sind“, begrüßt Martin Wiebel die Gäste.

Martin Wiebel ist Vorsitzender des Vereins Kulturraum Zwingli-Kirche. Er hat das Projekt „Vor dem Fall der Berliner Mauer – 40 Jahre Leben mit der Teilung in Friedrichshain und Kreuzberg“ ins Leben gerufen. Die Ausstellung zeigt Fotos und Filme, es werden Lesungen zum Thema gehalten, und jeden Mittwoch erzählen in der Zeitzeugen-Werkstatt Menschen ihre ganz persönlichen Geschichten zum Leben zwischen 1949 und 1989.

Frau und Kind im Osten

Vorn nehmen Gerda und Hartmut Stachowitz Platz. Das Ehepaar hat sich während der Schulzeit kennen gelernt, verliebt und schließlich einen Sohn bekommen. „Am Morgen des 13. August 1961 hörten wir im Radio, dass die Grenzen geschlossen wurden. Mein Mann und ich waren zu diesem Zeitpunkt im Berliner Westen, unser Kind allerdings bei meiner Mutter im Osten“, erzählt Gerda Stachowitz mit Tränen in den Augen. „Meine Frau hat im Osten gewohnt und ist dann erst mal zurück gefahren. Wir wollten aber langfristig in den Westen fliehen“, berichtet ihr Mann Hartmut. Eine Tunnelflucht sollte der Ausweg sein. „Das ging alles schief. Wir wurden verraten, und ich wurde ins Gefängnis gesteckt“, erzählt er.

Während das Ehepaar sich an die schweren Zeiten zurückerinnert, filmt sie eine Kamera. „Wir nehmen alle Zeitzeugen auf Video auf und wollen das Material später an Berliner Schulen zeigen“, erklärt Wiebel. Der Initiator hat nach langen Recherchen und viel Mund-zu-Mund-Informationen jeden Mittwoch vier bis fünf Zeitzeugen zu Gast. „Uns sind die subjektiven Erfahrungen der Menschen wichtig, denn das sind interessante Geschichten, die das Leben in dieser Zeit auf besondere Art und Weise beleuchten“, so Wiebel. Die Resonanz sei dabei durchweg positiv. „Durch das Projekt hat unser Verein schon Zuwachs bekommen. Momentan sind wir 48 Mitglieder.“

Trotz Knast zurück zur Frau

Die Geschichte des Ehepaar Stachowitz nahm ein gutes Ende. „Ich wurde Gott sei Dank freigekauft“, berichtet Hartmut Stachowitz. Aber er wollte nicht im Westen bleiben, sondern zurück in die DDR zu seiner Frau. „Dort musste ich dann zwar als Tierarzt auf einem Schlachthof arbeiten, aber wir waren endlich wieder zusammen.“ Drei weitere Menschen erzählen an diesem Abend über die „Liebe im Schatten der Mauer“. Solche Geschichten, die sprichwörtlich das Leben schreibt, kann man nicht oft genug hören. DANIEL TUBIES

■ Die Ausstellung läuft noch bis zum 9. November. Zusätzlich gibt es jeden Mittwoch ab 19 Uhr die Zeitzeugen-Werkstatt und freitags um die gleiche Zeit eine Filmvorführung. Am Sonntag, den 25. Oktober, gibt es um 11 Uhr noch eine Lesung mit Rayk Wieland. Weitere Infos unter: www.kulturraum-zwinglikirche.de