Erdoğan ist sehr leicht kränkbar

Wegen angeblicher Beleidigungen auf Facebook musste der Deutsche Hüseyin M. in türkische Untersuchungshaft. Jetzt kommt er frei, aber ihm drohen bis zu sechs Jahre Haft

Nach 45 Tagen in türkischer Untersuchungshaft kommt der wegen Präsidentenbeleidigung angeklagte Hüseyin M. aus Braunschweig frei. Auch eine Ausreisesperre gebe es nicht, sagte sein Anwalt Erdal Güngör nach dem Prozessauftakt in Ankara am Donnerstag – M. dürfe nach Hause fliegen. Der Prozess geht allerdings weiter. Das Gericht habe M. unter anderem auf freien Fuß gesetzt, weil er keine Vorstrafen habe. Damit droht keine weitere Eskalation im deutsch-türkischen Verhältnis.

„Wir sind erleichtert und danken allen, die geholfen haben“, sagte der Bruder des 42-Jährigen. M. war Ende August während seines Urlaubs festgenommen worden. In der Anklageschrift hieß es, er habe den türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan am 23. Mai 2014 und am 27. Juli 2015 in Facebook-Einträgen beleidigt.

Im August 2018 wurde M. mit mehreren Mails, unter anderem an das Präsidialamt, denunziert. Wer dahinter steckt, wusste Anwalt Güngör bis zum Prozessauftakt nicht. M. drohen weiterhin bis zu sechs Jahre Haft.

Mit seiner Ausreise wird er für die türkische Justiz aber nun wohl nicht mehr greifbar sein, selbst wenn er verurteilt werden sollte. Das könnte Absicht sein. Die Bundesregierung hat mehrfach betont, dass die Freilassung der Deutschen in türkischen Gefängnissen eine zentrale Voraussetzung für die Verbesserung der bilateralen Beziehungen ist. Nach offiziellen Angaben sind noch fünf Deutsche „aus politischen Gründen“ in türkischen Gefängnissen. (dpa)