Bobby die Lefzen straffen lassen

„Improve your pet“: Mit dem Rauhaardackel in der Klinik für kosmetische Tierchirurgie

„In Japan gibt es Container, in die unerwünschte Haustiere lebend geworfen werden“

Gisela Morgenthal strahlt übers ganze Gesicht. Ihr Rauhaardackel Bobby wird heute aus der Tierklinik entlassen. Zuhause in Hamburg-Eimsbüttel hat sie für ihren Liebling Luftballons aufgehängt und den Tisch mit einem Hundefestschmaus gedeckt. Auf einem Transparent steht „Welcome home“. Gerade kam der Anruf aus der Klinik. „Ich bin ja so froh, dass er alles gut überstanden hat!“ Die Mittvierzigerin rückt noch eine Tischkarte zurecht und nestelt mit dunkelrot lackierten Fingernägeln an einer Serviette. „In seinem Alter ist ja keine Operation ohne Risiko.“

„In meiner Verwandtschaft hat niemand verstanden, warum ich Bobby die Lefzen straffen lassen wollte“, erzählt Gisela Morgenthal auf der Fahrt in die Klinik. „Aber ich finde, mit seinen zehn Jahren sollte ich noch einmal das Beste aus ihm machen.“ Sie setzt den Blinker. „Außerdem ist er sonst noch topfit und kann bei seiner robusten Gesundheit leicht 15 oder sogar 18 Jahre alt werden!“

Wir rollen auf grauem, knirschendem Kies in den Hof der „Privattierklinik Dr. Porst“. Am Empfang herrscht die diskrete Atmosphäre eines Hotels der gehobenen Klasse. Gedämpfte Musik erfüllt den Raum. Frau Morgenthal soll warten. „Natürlich war der Eingriff nicht ganz billig“, flüstert sie aus dem schweren Sessel in der Lobby. „Aber ich verzichte in diesem Jahr gern einmal auf meinen Urlaub. Das ist Bobby mir wert!“

Herr Dr. med. vet. Gunther Porst, plastischer Tierchirurg, hat sein Handwerk in den USA gelernt. Dort sind – nach den Wellness-Centern und -Hotels für Haustiere aller Art – Animal-Beauty-Farmen mit plastischer Chirurgie schon seit langem groß in Mode.

Ging es zunächst darum, nach Unfällen oder Kämpfen Gesicht oder andere Körperteile von Frauchens oder Herrchens Liebling wieder herzustellen, entwickelte sich daraus ein eigener Zweig der kosmetischen Tierchirurgie, der bald unter dem Markennamen „Improve your pet“ seinen Siegeszug nach Europa antrat.

Seither haben immer mehr Tierbesitzer von den diskreten, aber wirkungsvollen Methoden des Dr. Porst Gebrauch gemacht. „Meist improven wir Hunde“, erläutert der Arzt mit der Sonnenbrille schnittig. „Aber auch Katzen, Meerschweinchen oder Wellensittiche waren schon bei mir in der Klinik zu Gast. Einmal wollte eine Dame ihren Koi-Karpfen improven lassen, um bei einer Versteigerung noch mehr rauszuholen. Da konnte ich nur eine Botox-Injektion anbieten.“

Bei Dr. Porsts Behandlungsmethoden spielte bis vor kurzem das Fettabsaugen die zentrale Rolle, doch „die Korrektur der Lefzen oder des Schwanzes wird in letzter Zeit immer mehr nachgefragt“. Selbstverständlich ist der Einfluss der Mode nicht von der Hand zu weisen. „Wenn in diesem Jahr alle Hunde aussehen sollen wie Jack-Russell-Terrier, dann bieten wir den Kunden, die das wünschen, eine Generalüberholung an.“

Fragwürdig oder gar unethisch findet Dr. Porst seine Angebote nicht. Im Gegenteil: „Stellen Sie sich vor: In Japan gibt es Container, in die unerwünschte Haustiere lebend geworfen werden. Dort beißen sie sich gegenseitig tot und nehmen ein schreckliches Ende.“ Da sei es doch besser, die bestehenden Exemplare aufzufrischen, eben zu „improven“.

Für die Kunden allerdings, die mit ihrem Haustier ganz und gar nicht mehr zufrieden sind, bietet die Klinik einen gesonderten Service an. Unter dem Namen „Remove your pet“ übernimmt das Klinikpersonal die diskrete und saubere Entsorgung der nicht mehr erwünschten Tiere. „Doch das wird nur von einem sehr geringen Teil der Kundschaft nachgefragt.“ Unterdessen wird Frau Morgenthal aufgerufen. Sie zieht sich noch einmal dezent die Lippen nach und folgt der weiß gekleideten Krankenschwester in einen Nebenraum.

Dort schaut ein stämmiger Mops Frau Morgenthal fragend an. „Aber … – das ist nicht Bobby“, haucht sie. „Doch, dieser Hund heißt Bobby“, bestätigt die Schwester nach einem Blick in den Computer. „Aber das ist nicht mein Bobby!“ Frau Morgenthals Stimme klingt schrill. „Mein Bobby ist ein Rauhaardackel!“ Die Krankenschwester verschwindet mit dem Mops hinter einer Schiebetür. Frau Morgenthal trommelt nervös mit den Fingern auf dem Verschluss ihrer Handtasche.

Da – ein Fiepen! „Bobby! Mein Bobby!“ Mit weit geöffneten Armen nimmt Gisela Morgenthal ihren Liebling endlich in Empfang. Noch etwas benommen lässt er sich von seinem Frauchen herzen und schnappt nach den Hundekeksen. Dann geht es ganz schnell nach Hause.

TANJA KÜDDELSMANN