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Die schnelle Entschleunigung

Schnee, Schlamm oder Sterne: Der Tourismus in Norddeutschland ist vom Trend zu Ganzjahresdestinationen erfasst. Die Möglichkeiten für einen Wintertrip sind vielfältig

„Eine ganz tolle Geschichte!“: Verschneiter Ostseestrand in Warnemünde Foto: Bernd Wüstneck/dpa

Von Lena Eckert

Häufiger, spontaner, kürzer lautet der aktuelle Trip-Trend. Und den wollen Touristiker*innen ausnutzen. Da spontane Kurzreisen nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über möglich sind, wollen sie Reiseziele verstärkt zu Ganzjahresdestinationen entwickeln. Von der besseren Auslastung touristischer Betriebe und der vorhandenen Infrastruktur erhoffen sie sich eine wirtschaftliche Verbesserung, deren Erträge wiederum in die Modernisierung der touristischen Angebote fließen können.

Ein weiteres Ziel ist die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Nicht nur Tourist*innen, sondern auch Fachkräfte und neue Einwohner*innen sollen auf diese Weise angelockt werden – vor allem in ländlichen Regionen. Besonders ambitioniert ist Schleswig-Holstein: Das nördlichste Bundesland strebt, gemäß der 2013 entwickelten Tourismusstrategie, eine Steigerung des touristischen Bruttoumsatzes um 30 Prozent bis 2025 an.

Dennoch: Der einsame Strandspaziergang ist nicht in Gefahr. An der Ostsee zum Beispiel geht es in den meisten Gegenden im Winter „eher ruhig“ zu, sagt Katja Lauritzen, Geschäftsführerin des Vereins Ostsee-Holstein-Tourismus. Wer den Strand für sich allein haben will, fährt nach Hohwacht. „Ruhiger als dort geht es fast nicht“, sagt Lauritzen. Zu den belebteren Gegenden zählt dagegen die Lübecker Bucht. Aber auch Städtetrips lohnen sich. Kulturinteressierten bieten sich zahlreiche Museen wie das Europäische Hansemuseum in Lübeck oder das Jüdische Museum in Rendsburg für einen Besuch an. Auf eines muss allerdings so gut wie nirgends verzichtet werden: Wellnessangebote.

Die lassen sich sowohl an der Ostsee- als auch an der Nordseeküste finden. „Thalasso“ lautet das Stichwort im ganzen Norden. Alles, was das Meer für die Gesundheit zu bieten hat, wird hier genutzt. Auf dem Plan stehen Schlammpackungen, Heilbäder, Peelings, Massagen und Spaziergänge in der Brandungszone. Ganz weit vorne dabei ist Norderney: Mit seinen Thalasso-Angeboten hat sich die ostfriesische Insel zum „Hot Spot der Nordsee“ entwickelt, sagt Sven Ambrosy, Vorsitzender des niedersächsischen Touristenverbandes.

Wellnessmäßig aufgestockt wird auch abseits der Küste – so zum Beispiel in der Lüneburger Heide. Viele Hotels verfügen hier über Saunen, Hallenbäder und Fitnessräume. Aber auch Natururlauber*innen entdecken das autofreie Naturschutzgebiet verstärkt für sich. Ulrich von dem Bruch, Geschäftsführer der Lüneburger Heide GmbH, findet die Winterstille fast noch schöner als den Sommer: „Die dunkelgrünen Wacholder über dem Schnee, das sieht schon sehr schön aus.“ Auch das Licht sei im Winter ganz anders, fügt er hinzu und empfiehlt lange Spaziergänge. Oder Ski-Touren: Bei ausreichend Schnee werden die Langlaufloipen gespurt. „Und dann in die gemütlichen Gaststuben zu einem Tee mit Kuchen und abends ein anständiges Heidschnuckengericht mit Rotwein“, sagt von dem Bruch.

Ausreichend Schnee ist auch die wichtigste Voraussetzung für eine gute Auslastung im Harz. Gute Besucherzahlen im Winter sind hier zwar nichts Neues, zusätzlich verzeichnet der Harzer Tourismusverband aber auch seit einigen Jahren immer mehr Sommergäste. Bereits jetzt gibt es „keine wirklichen Nebensaisonzeiten“, sagt Carola Schmidt, Geschäftsführerin des Verbandes.

Um eine Unterkunft im Harz zu finden, müssen Besucher*innen Flexibilität zeigen, sowohl in der Wahl ihres Urlaubsortes als auch in der der Unterkunftsart. „Wirklich schwierig“ wird es hier allerdings nur über die Weihnachtsfeiertage und zum Jahreswechsel, sagt Schmidt. Mögliche Ausflugsziele bieten zahlreiche historische Bauten und Kultur­einrichtungen. Die sind auch Schauplätze des „Harzer KulturWinters“, der von Ende Januar bis Mitte Februar stattfindet und über 40 verschiedene Veranstaltungen an 100 Terminen umfasst – von Lesungen und Konzerten über Kloster-Führungen bei Kerzenschein bis hin zu Wanderungen und Sonderfahrten zum Brocken mit dem Traditionszug.

Harzer Kulturwinter: www.harzinfo.de/veranstaltungen/harzer-kulturwinter.html

Winterurlaub in der Mecklenburger Seenplatte: www.winterurlaub.1000seen.de

Pilzwanderungen mit Jochen Kurth: www.mecklenburgische-seenplatte.de/reiseziele/dr-jochen-kurth

Winter an der Ostsee: www.ostsee-schleswig-holstein.de/winterschoen.html

Thalasso an Nord- und Ostsee: www.thalasso-guide.de (eck)

Wer es dagegen individualistisch mag, ist in der Mecklenburger Seenplatte mit ihren sechs Naturparks bestens aufgehoben. Natürlich bieten Hotels hier ebenfalls Wellness-Angebote, anders als an der Küste haben die aber eher Oasen-Charakter. Bert Balke, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Mecklenburgische Seenplatte, möchte Besucher*innen vor allem einladen, raus in die Natur zu gehen – auch das sei gut für die Gesundheit. Wärmstens empfiehlt er individuelle Winterwanderungen. „So ein herrlicher, eisiger Sonnentag im Winter ist eine ganz tolle Geschichte!“, sagt er. Im Winter seien viele Tiere wie Seeadler, Buntspechte oder Damwild weniger scheu als zu anderen Jahreszeiten und ließen sich gut beobachten.

Balkes Geheimtipp sind die wöchentlichen Pilzwanderungen, die Jochen Kurth durchführt. Kurth ist Biochemiker und Toxikologe und kennt sich mit Austernseitlingen und Samtfußrüblingen – und deren Wirkungen – bestens aus. Die kältere Jahreszeit ist außerdem Angel-Hochsaison. Und nicht nur Fachmänner und -frauen kommen auf ihre Kosten: Für „Nichtangler*innen“ gibt es den Touristenfischereischein, den Interessierte zum Beispiel in Touristen-Informationen beziehen können.

Wer genug Pilze gesammelt und Fische gefangen hat, bereitet sich sein eigenes Mahl zu – „ganz nach Jäger- und-Sammler-Art“, sagt Balke. Das Ferienhaus am See sollte deswegen – neben dem Kamin – eine gut ausgestattete Küche haben. Und noch einen Tipp hat Balke für die Wahl der Bleibe: Dachfenster. Durch die geringe Lichtverschmutzung ließen sich nämlich bei klarem Himmel Mond und Sterne gut betrachten. Aber auch dafür sei es – natürlich – besser, raus zu gehen.