Belgischer Pater in Ruanda verhaftet

Staatsanwaltschaft in Kigali wirft Guy Theunis Vorbereitung des Völkermords in der Zeit vor 1994 vor

BRÜSSEL taz ■ Seit vergangenem Dienstag sitzt Pater Guy Theunis, Mitglied der afrikanischen Missionars-Kongregation „Die weißen Väter“, in Kigali in Haft. Dem Kigalier Staatsanwalt Emmanuel Gukangira zufolge wird der Missionar verdächtigt, zum Hass gegen die Tutsi in der Zeit vor dem Genozid von 1994 aufgerufen zu haben. Theunis, damals Redakteur der Zeitung Dialogue, soll Auszüge aus der extremistischen Hutu-Zeitung Kangura veröffentlicht haben. Diese Anschuldigung wurde am Sonntag von dem Volkstribunal „Gatchatcha“ bestätigt, das den Kleriker in die Kategorie 1 einstuft: Planung der ruandischen Shoah. Theunis muss sich nun vor einem ruandischen Gericht verantworten.

Die Reaktionen auf Theunis’ Verhaftung ließen nicht lange auf sich warten. Theunis sei im Bereich der Menschenrechte sehr engagiert gewesen. Zudem habe Dialogue sowohl Hutus als auch Tutsis, von denen mehrere während des Genozids ermordet wurden, beschäftigt, sagte Charles Ntampaka, Mitglied der Dialogue-Redaktion, dem belgischen Radio RTBF. Theunis stand auch der Redaktion der katholischen Wochenzeitung Kinyamateka nahe, die das Regime von Habyarimana, der 1989 einen seiner Gefolgsleute ermorden ließ, scharf kritisierte. Allerdings räumt Ntampaka ein, dass Theunis mit dem Einverständnis von Dialogue einen Pressespiegel auf Französisch für ausländische Diplomaten und Journalisten herausgab. In diesen wurden auch Artikel aus der Zeitung Kangura aufgenommen.

Die Veröffentlichung dieser Ausschnitte habe nicht die Hassparolen unterstützen, sondern gerade davor warnen sollen, sagten Dialogue-Redakteure, belgische und ruandische Journalisten gegenüber der taz.

Warum wurde Theunis, der nach Informationen der taz vor dem Genozid mit mehreren Menschenrechtsorganisationen in den USA und Europa in Verbindung war, gerade jetzt verhaftet? Der Staatsanwalt von Kigali sagte der belgischen Zeitung Le Soir, es seien unveröffentlichte Dokumente aufgetaucht, die diese Entscheidung rechtfertigen. Die Brüsseler Tageszeitung La Libre Belgique meint: Nach dem Genozid habe Dialogue die „Patriotische Ruandische Front“ kritisiert. Im Dezember 2004 hatte sie zudem einen Artikel veröffentlicht mit dem Vorschlag, das Gedenken an die Opfer des Genozids aufzugeben und ein Klima der Versöhnung zu schaffen.

2004 gehörte Theunis der Redaktion der Zeitung aber gar nicht mehr an. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Pater für die Unterstützung der Sache der Hutu durch viele „weiße Väter“ und für die engen Beziehungen zwischen ranghohen ruandischen Katholiken und dem Regime des toten Generals Juvénal Habyarimana gerade stehen muss. Der Erzbischof von Kigali, Monsignore Vincent Nsengiyumva, saß im Zentralkomitee der Einheitspartei von Habyarimana, die zu den Tutsi-Massakern in den Jahren vor dem Genozid schwieg.

Die Affäre könnte die diplomatischen Beziehungen zwischen Ruanda und Belgien verschlechtern. Am Freitag hatte Belgiens Außenminister Karel de Grucht den ruandischen Botschafter Joseph Bonesha einbestellt. Am Montag meldete RTBF, dass die Affäre Thema eines Gesprächs zwischen de Grucht und seinem ruandischen Amtskollegen bei der nächsten UN-Generalversammlung sein könnte.

Die Auswirkungen dieser Affäre könnten schwerwiegend sein. Sie könnten die Finanzhilfen Belgiens und der EU für die Gatchatcha in Frage stellen. Diese sollten Ruanda bei den Prozesse gegen mutmaßlich am Genozid Beteiligte unterstützen. Für alle Prozesse bräuchte Ruandas Justiz mehr als ein Jahrhundert.

FRANCOIS MISSER

aus dem Französischen: Jakob Neu