Für alle. Für umsonst

Weil Museen sich ohnehin kaum vom Eintrittsgeld finanzieren, fordert die Linksfraktion, über freien Eintritt für alle zu diskutieren – der rot-grüne Senat mag aber nicht

Möglich, dass Registrierkassen ins Museum gehören. Aber an den Eingang? Foto: Ingo Wagner/dpa

Von Jan Zier

Die Bremer Museen leben kaum von ihrem Eintrittsgeld. Das hat soeben der Senat vorgerechnet, auf Anfrage der Linksfraktion. In den allermeisten Fällen tragen die BesucherInnen nicht mehr als zehn Prozent zum Etat der jeweiligen Museen bei, oft sogar weniger als fünf Prozent. Die Linke fordert angesichts der Zahlen nun zumindest einen „Testlauf“ für häuserübergreifenden, freien Eintritt in die Museen der Stadt. „Das ist ganz einfach“, sagt Arie Hartog, der Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses – und sei vor allem eine „politische Entscheidung“.

Hartog ist trotzdem dagegen, dass jeder immer für umsonst ins Museum gehen kann. Kinder und Jugendliche sollten aber stets freien Eintritt haben, sagt er, und Erwachsene mit wenig Einkommen „auch mal die Möglichkeit haben“, umsonst reinzukommen. Sein Haus praktiziert das schon, nach niederländischem Vorbild: An jedem ersten Donnerstag im Monat haben alle freien Eintritt im Bildhauermuseum des Nordens, alle Minderjährigen sonst auch, genauso wie Bremer Studierende und hauptberufliche KünstlerInnen. Der Erfolg: Wenn alle Menschen freien Eintritt im Marcks-Haus haben, kommen erwiesenermaßen auch mehr Leute „aus entlegeneren Stadtteilen“, sagt Hartog.

Das ist aber kein Selbstläufer, sagt auch die Kulturpolitikerin der Linken, Miriam Strunge: „Ein kostenfreier Zugang allein ist kein Garant für einen nachhaltigen BesucherInnenzuwachs.“ Sehr wohl aber für einen punktuellen: Als die Hamburger Kunsthalle im Mai 2016 einen eintrittsfreien Monat hatte, kamen über 200.000 Menschen. Dabei ist Kultur heute ein „Minderheitenprogramm“, sagt Museumsdirektor Hartog – für ein „relativ kleines, älteres, gebildetes, weißes Publikum“. Diese Gruppe wächst noch, demografisch betrachtet, und sie kauft auch am ehesten im Museumsshop ein. „Das Bremer Museums­publikum ist tendenziell weiblich, über 50 und hat einen hohen Bildungsabschluss“, sagt der Senat.

Gewährt ein Museum nun ausnahmsweise und meist sponsorenfinanziert freien Eintritt, komme vor allem „das bereits museumsaffine Publikum mit mittlerem Einkommen“. Das würde „die Erfahrungen aus anderen Städten“ zeigen. Um auch andere anzusprechen, bedürfe es „über mehrere Jahre zusätzlicher Werbemaßnahmen und Vermittlungsprogramme“, erklärt die Landesregierung. Genau die fordert auch Die Linke. „Die Politik sollte alles tun, um die Museen möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen“, so Strunge.

Schon ein Eintritt von einem Euro für Schulklassen werde „vielfach als Hemmschwelle angeführt“, schreibt der Senat. Doch es liegt nicht nur am Geld: Die größte Barriere sei fehlendes Interesse an Museen, „weil viele Menschen sich in Form und Inhalt nicht von ihnen angesprochen fühlen“. Um das zu ändern, müsse man „einen langen Atem haben“, so Hartog, auch mit Blick auf Erfahrungen aus England, wo freier Eintritt in vielen Häusern die Grundlage der Museumskultur ist. Die Institutionen müssten erst allen Menschen das Gefühl geben, willkommen und zu Hause zu sein, sagt Hartog. Was für ihn ein nachhaltiger Erfolg ist? Wenn sich jemand aus Gröpelingen, wie kürzlich geschehen, ins Gerhard-Marcks-Haus traut – und nach dem Weg fragt. Warum das gut ist? „Es zeigt: Wir sind ein Ort des Vertrauens“, sagt Hartog.

Die Zahl der BesucherInnen und die dadurch erbrachten Einnahmen an einem durchschnittlichen Sonntag hat der Senat für Bremer Museen errechnen lassen.

Überseemuseum: 495 BesucherInnen (2.098 Euro)

Focke-Museum: 176 BesucherInnen (770 Euro)

Weserburg: 180 BesucherInnen (550 Euro)

Kunsthalle: 226 BesucherInnen, die im Schnitt 3,30 Euro zahlten

Overbeck-Museum: 70 BesucherInnen (206 Euro)

Künstlerhaus: 15 BesucherInnen (Eintritt frei) (nmz)

Die Besucherzahlen auch in den Bremer Museen sind seit Jahren rückläufig, Sonderschauen ziehen die Leute noch am ehesten an. Aber selbst diese Blockbuster-Ausstellungen hatten bis 2010 „noch sehr viel höhere Besucherzahlen“, so der Senat. Kamen die hiesigen Häuser 2007 insgesamt noch auf knapp 520.000 Menschen, so waren es 2011 nur noch rund 410.000, im vergangenen Jahr bloß 348.000. Bei den kleineren und mittleren Museen zeige sich dagegen „über die Jahre hinweg eine bemerkenswerte Stabilität“ der Gästezahlen.

Im Überseemuseum, das 2016 knapp 113.000 BesucherInnen hatte, machte deren Eintrittsgeld – Erwachsene zahlen 7,50 Euro – in den letzten Jahren maximal 8,7 Prozent des Gesamtetats aus. In der Kunsthalle sind es rund neun Prozent, in der Weserburg sieben, und in beiden Häusern zahlen Erwachsene heute neun Euro an der Kasse. Im Gerhard-Marcks-Haus liegt der Anteil sogar bei weniger als zwei Prozent. Nur die Museen in der Böttcherstraße, die regulär acht Euro kosten, sind eine Ausnahme: Dort machten die Eintrittsgelder im vergangenen Jahr laut Senat fast ein Drittel des Gesamtetats aus.

So oder so aber will Rot-Grün nicht weiter über die Frage nachdenken: Die Bremer Museen seien auf die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern „angewiesen“, schreibt die Regierung. Es wäre derzeit „nicht angebracht“, das Thema weiter „zu verfolgen“.