Portrait
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Bill English, neuseeländischer Premierminister Foto: reuters

Bill, der Schafbauer

Alle nennen ihn Bill. Im Parlament, auf der Straße und auf der Schafweide. Bill English, eigentlich Simon William mit Vornamen, ist, wie man sich den typischen „Kiwi“ vorstellt: nett, jovial, vielleicht etwas schüchtern. Und er ist ein Schafbauer. Ein passenderes Klischee gibt es nicht in einem Land, in dem pro Einwohner sechs Schafe leben.

Bill ist erst seit Dezember Premierminister. Er übernahm das Amt von John Key, dem erfolgreichen Chef der konservativen Nationalpartei, die seit über acht Jahren an der Macht ist. Und ob Bill seine Monate an der Spitze um drei Jahre verlängern kann, wird trotz des Wahlsieges erst in den nächsten Wochen klar sein, nach Koalitionsverhandlungen mit Minderheitenparteien. Allen voran New Zealand First, ultrarechts und geführt von Winston Peters, einem Mann mit dem Charakter eines starrköpfigen Leithammels.

Da ist Bill genau der richtige Verhandlungsführer: Er ist den Umgang mit sturen Böcken gewohnt. Der 55-Jährige wuchs mit elf Geschwistern auf einer Schaffarm auf der neuseeländischen Südinsel auf. Nach Studien der englischen Literatur entschied er sich für eine Karriere im öffentlichen Dienst. Schnell stieg er auf – zum Abgeordneten, Gesundheits- und schließlich zum Finanzminister und war an der Weiterführung der radikalen Wirtschaftsreformen beteiligt.

Als John Key im Dezember überraschend zurücktrat, war sein Finanzminister der logische Nachfolger. English erwies sich rasch als guter Verhandler, nicht zuletzt auf internationalem Parkett. Bei seinem ersten Auslandsbesuch sicherte er sich die entscheidende Zustimmung von Angela Merkel für ein Handelsabkommen mit der EU. Gleichzeitig hofierte er seine britische Amtskollegin Theresa May und warb für Neuseeland als wichtigen Handelspartner nach dem Brexit.

Die Verhandlungen mit Winston Peters werden schwierig – Peters hasst die Regierungspartei. Doch selbst wenn es English nicht schafft, den starrköpfigen Peters mit Geschick in die gewünschte Richtung zu drängen, bleibt noch die Geduld. Und von der muss Bill jede Menge haben: Der streng gläubige Katholik ist Vater von sechs Kindern.

Urs Wälterlin

Ausland SEITE 13