CDU-Chef übt sich in Selbst-Hypnose

Nach dem Wahlergebnis ahnen führende CDUler, dass es so nicht weitergehen kann. Nur der Chef sieht das anders

Kurz vor der Krisensitzung des CDU-Landesvorstands hatte der Chef seine Parole gefunden: Schuld ist der Bundestrend. „Schröder hat mit dem Vorwurf, die Union verbreite ‚soziale Kälte‘, angegriffen. Wir haben nicht richtig gekontert“, sagte Ingo Schmitt gestern. Aber sein Landesverband, keine Frage, habe „engagiert“ gekämpft.

Alles super bei der Hauptstadt-Union? Während der Chef schönredete, ahnen andere CDUler, dass es so nicht weitergehen kann. Eine Auswahl: „Ernsthaft überlegen“ sei angesagt, sagt die Kulturfachfrau Monika Grütters. Soziale Themen hätten gefehlt, sagt Generalsekretär Frank Henkel. Altstar Eberhard Diepgen findet, die CDU habe sich nicht als „engagierte Großstadtpartei“ präsentiert. Und Fraktionschef Nicolas Zimmer schwant, man müsse sich „sehr anstrengen“.

Hinter geschlossener Tür dürfte Schmitt Tacheles geredet haben. Denn das Ausmaß des Debakels, das sich gestern offenbarte, ist bemerkenswert. Gerade 22 Prozent der Berliner stimmten für die Christdemokraten, ihr schlechtestes Ergebnis seit der Wiedervereinigung. Auch wenn viele CDU-Wähler zur FDP überliefen – ein gut Teil der Katastrophe ist hausgemacht. Nach wie vor den Mief der Westberliner Bezirksverbände ausdünstend, ist die CDU dem Osten fremd wie nie. In Marzahn-Hellersdorf schaffte sie nur 14,1 Prozent (2002: 17,7), in Lichtenberg 12,6 (2002: 16,1), im alternativen Friedrichshain-Kreuzberg sank sie auf 11 Prozent (2002: 12,8).

Auch die vermeintlichen schwarzen Trümpfe bei den Direktmandaten verpufften wirkungslos. Nur das gutbürgerliche Steglitz-Zehlendorf ging knapp an den Rechtsanwalt Karl-Georg Wellmann, Diepgen scheiterte kläglich in Neukölln; Landeschef Schmitt verlor in Charlottenburg-Wilmersdorf, zieht aber über den sicheren Listenplatz 2 in den Bundestag. Schmitt, erst Ende Mai als Landesvorsitzender gewählt, ist fein raus. Aber sein Landesverband liegt am Boden.

Beschäftigte er sich vor der Wahl damit, Geheimtreffen mit dem Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer, dem Wunschkandidaten für 2006, bekannt zu geben und wieder zu dementieren, dürfte jetzt klar sein: Töpfer wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, einem derart orientierungslosen Landesverband sein Ja-Wort zu geben. Eine Kommission soll jetzt eine „geeignete Persönlichkeit“ finden. Das wichtigste Einstellungskriterium ist derzeit wohl: politische Blindheit. ULRICH SCHULTE