heute in hamburg
: „Die Aversion gegen Linke“

GESPRÄCHSSTOFF Im Nachtasyl wird am Lagerfeuer über den G20-Gipfel und seine Folgen diskutiert

Rafael Behr

Foto: dpa

59, Professor für Polizeiwissenschaften mit den Schwerpunkten Kriminologie und Soziologie in Hamburg.

taz: Herr Behr, ist es Zeit, sich über organisatorische Schwächen der Polizei zu unterhalten?

Rafael Behr: Es ist Zeit, sich über die Komplexität des Einsatzes zu unterhalten. Da gehören viele Bereiche dazu, auch, was nicht gut gelaufen ist. Im Moment werden wir noch von einer Woge der Sympathie für die Polizisten im Einsatz getragen, aber es mehrt sich die Kritik an der Einsatzführung. Das muss in einer nüchternen Atmosphäre verhandelt werden.

Warum gab es keine Deeskalation?

Ja, weil die Grundhaltung der Hamburger Linie nicht verlassen wurde. Die Einsatzgrundsätze wurden nicht der Größenordnung von G20 angepasst. Es ist kein für mich sichtbares neues Konzept erarbeitet worden. Das ist einer der Gründe, warum Deeskalation nicht funktionierte.

Kann man die Hamburger Linie als gescheitert bezeichnen?

Das kommt auf die Perspektive an. Ich bin mir sicher, dass in der Polizei diese Linie als Erfolg verkauft wird. Das rigide Vorgehen wird von vielen in der Polizei geschätzt. Man wird nicht von einem Scheitern sprechen.

Wie kann die Polizei Vertrauen wieder herstellen?

Ich sehe viel Zustimmung für den Einsatz, vornehmlich für die Einsatzkräfte. Ich habe selten erlebt, dass Polizeiführungen in Hamburg auf ihre Kritiker zugehen. Vielleicht ändert sich das, aber ich glaube nicht, dass es Bemühungen gibt, Sympathien zurückzugewinnen. Man fühlt sich durch die große Zustimmung aus der Bevölkerung eher bestätigt.

Welche Folgen hat das?

Was mich erschreckt hat, ist die Lust am Linken-Bashing. Das macht mir große Sorge, weil ich sehe, wie groß die Aversion gegenüber Linken und alternativen Lebensentwürfen insgesamt in der Gesellschaft ist. Darauf kann die Polizei zugreifen und härteres Vorgehen rechtfertigen. Interview Philipp Steffens

Protest und Staatsgewalt: 20 Uhr, Nachtasyl, Alstertor 1