Abgetaucht, gesucht und jetzt Asylantrag in Venezuela

Justiz II Mitglieder der militanten Gruppe K.O.M.I.T.E.E. habenvor 22 Jahren versucht, Abschiebeknast in die Luft zu sprengen

Auch die taz-Redak­tion und Wohnungen von Redakteuren wurden durchsucht

BERLIN taz | 22 Jahre waren sie flüchtig, jetzt sind sie in Venezuela wieder aufgetaucht.

Wie gerade bekannt wurde, haben zwei mutmaßliche Mitglieder der militanten Gruppe „Das K.O.M.I.T.E.E.“ am 8. März in dem südamerikanischen Land einen Antrag auf Asyl gestellt. „Damit haben wir zum ersten Mal seit 22 Jahren in der Illegalität so was wie einen legalen Status“, schreiben Thomas Walter und Peter Krauth, die beiden mutmaßlichen K.O.M.I.T.E.E.-Mitglieder, in einem Brief, der auf der Webseite einer Solidaritätsgruppe veröffentlicht wurde.

Der Fluchtgrund der Männer aus Deutschland liegt 22 Jahre zurück. Ihnen wird vorgeworfen, am 11. April 1995 versucht zu haben, das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau in die Luft zu sprengen. Mit dabei gewesen sein soll auch Bernhard Heidbreder, der ebenfalls abgetaucht war.

„Zusammen mit Bernd“

Die Aktion sollte sich gegen die restriktive deutsche Flüchtlingspolitik richten. Das ging allerdings schief. Die Gruppe wurde von der Polizei überrascht und musste fliehen. Die drei Männer aus der autonomen Szene tauchten ab, das K.O.M.I.T.E.E. löste sich wenige Monate später auf.

Bereits im Juli 2014 nahmen venezolanische Polizisten Heidbreder aufgrund eines internationalen Haftbefehls in der Hauptstadt Caracas fest. Dort saß er zwei Jahre in Haft. Das oberste Gericht des Landes lehnte es jedoch ab, den 55-Jährigen an die deutschen Behörden auszuliefern. Seit acht Monaten ist Heidbreder wieder auf freiem Fuß und wartet auf die Entscheidung über seinen Asylantrag.

„Wir sind jetzt wieder zusammen mit unserem Reisekollegen Bernd“, schreiben Walter und Krauth in ihrem Brief. Ob die drei Männer nach Deutschland zurückkommen wollen, sei unklar, erklärt Krauths Anwältin Undine Weyers.

Im vergangenen Jahr hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Haftbefehle verlängert. Die Vorwürfe wegen eines weiteren Anschlags gegen ein Kreiswehrersatzamt sowie wegen der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ und der „Vorbereitung eines Sprengstoffanschlages“ waren damals bereits verjährt.

Den Ermittlern blieb deshalb nur eine Anschuldigung, um die Strafverfolgung aufrechtzuerhalten: die Verabredung des Verbrechens nach Paragraf 30 des Strafgesetzbuches. Diese verjährt erst nach 40 Jahren. „Es kann aber nicht sein, dass die Verabredung zu einer Tat länger verfolgt wird als die zeitlich spätere Begehung einer Tat“, kritisierte Verteidigerin Weyers gegenüber der taz. Mit den anderen Anwältinnen der Flüchtigen hatte sie deshalb eine Verfassungsklage eingereicht, die jedoch vom BGH abgelehnt wurde.

Soligruppe kümmert sich

Die Bundesanwaltschaft (BAW) wollte sich am Montag nicht dazu äußern, ob sie eine Auslieferung beantragen werde. Bisher hielten die Karlsruher Ermittler an der Strafverfolgung fest.

Sollten Walter, Krauth und Heidbreder nach Deutschland kommen, müssten sie demnach auch 22 Jahre nach dem gescheiterten Anschlag mit einer Haftstrafe rechnen. Im Oktober des vergangenen Jahres lud die BAW eine Person aus dem einstigen Umfeld der Männer vor. Da diese sich weigerte auszusagen, drohen ihr bis zu sechs Monate Beugehaft. Auch früher waren die Strafverfolger immer wieder gegen Freunde der Abgetauchten vorgegangen. Die Schwester eines Beschuldigten saß mehrere Wochen in Haft. Auch die taz-Redaktion sowie die Wohnungen zweier Redakteure wurden durchsucht.

Eine Solidaritätsgruppe, die sich um die Flüchtigen kümmert, fordert nach deren Auftauchen die Aufhebung der Haftbefehle und „Freiheit für Bernhard, Peter und Thomas“.

Wolf-Dieter Vogel