Die Welt hinter dem Luxus

Kunst Ein 45-Minuten-Loop der amerikanischen Künstlerin Sarah Morris im MuseumsQuartier in Wien macht einen ganz kirre. Zu viel Schönheit

... derweil in Paris an dem tollen Museum mit grünen Kränen weitergebaut wird ...

Was zeichnet die bekannte amerikanische Künstlerin Sarah Morris aus? Charisma, der Blick für das Wesentliche, die Abwesenheit von Selbstzweifeln? Wenn also jetzt im Wiener MuseumsQuartier im Mumok ein 45-Minuten-Loop von Morris gezeigt wird, der angeblich eine Art Pariser Mosaik sein soll und tatsächlich, nach dem sprudelnden Entree mit flachem Wasserfall, mit dem Close-up vom Gestänge des Eiffelturms und dem unvermeidlichen Blick über die Dächer der Stadt beginnt, dann auf eine Baustelle im Bois de Boulogne zoomt, dort den Arbeitern beim Errichten des inzwischen fertiggestellten Museums der Fondation Louis Vuitton zusieht, später Baupläne und den Architekten Gehry samt Bauherr Arnault zeigt, dann hübsche Rosenpflückerinnen in der Sonne irgendwo (Bulgarien?), anschließend eine Fabrik, in der die Blüten zermatscht werden, die Brühe haltbar und duftend gemacht wird, derweil in Paris an dem tollen Museum mit giftgrünen Kränen vor orangefarbenen Rohren weitergebaut wird, andernorts Champagner verkorkt und in der Parfümfabrik Dior Dingsabgefüllt wird, das Ganze begleitet von treibenden Beats und erhabenen Choralfetzen, ausgesucht von Liam Gillick, während also das Leben in Paris so vor sich hin daddelt und ein halbtotes (oder sieht sie nur so aus?) Model etwas vorführt, währenddessen die Arbeiter an dem Jahrhundertbauwerk neben einer Freizeitanlage mit entzückenden Kindern konzentriert, ja geradezu virtuos schuften, wird es allmählich Nacht im Bois de Boulogne, die Nutten stehen jetzt mit blinkenden Leuchtabsätzen in den High Heels zwischen geheimnisvoll angestrahlten Bäumen, der Schampus ploppt und spritzt und kleckert, das Museum ist bald fertig, die Parfumflakons tanzen und sehen gut aus . . .

Wenn also dieser 45-Minuten-Loop gezeigt wird, dann sollte man darauf achten, dass es Sarah Morris, wie sie im Künstlergespräch sagt, darauf ankommt, die Welt hinter den Luxusartikeln zu zeigen, um auf die Leere der Konsumwelt zu verweisen, sie in quasidokumentarischen Bildern zu verhandeln. Davon haben wir allerdings gar nichts mitbekommen. So viel Schönheit, die auch in den kleinen Dingen, hinter den Kulissen und sonst wo liegt, kann einen aber auch zusammen mit dem Gillick-Wummern ganz kirre machen.

Sarah Morris dreht seit einigen Jahren kaleidoskopartige Stadtporträts. Sie sind an einzelnen Tagen der bis 8. Januar dauernden Ausstellung zu sehen, dann wird der LVMH-Loop kurz mal unterbrochen und es gibt was wirklich Interessantes zu L.A. etc. zu sehen.

Annegret Erhard