Warten auf die Vogelgrippe

Berlin und Brandenburg rüsten sich gegen die steigende Gefahr durch die Vogelgrippe: Die Regierungen verstärken Warnhinweise und Kontrollen, und manch Bürger hortet Medikamente

Flughafen Tegel, gestern Mittag. Kurz nachdem eine ältere Dame bei einem Flug nach Antalya eingecheckt hat, taucht ein Mitarbeiter des Zolls am Schalter auf und drückt den Angestellten der Fluggesellschaft eine Mitteilung des Verbraucherschutzministeriums in die Hand. „Achtung, Tierseuchengefahr“ steht drauf. Die ältere Dame aber erwartet strengere Sicherheitsmaßnahmen. „So wie vor vier Jahren bei der Maul- und Klauenseuche.“ Damals mussten Passagiere mit ihren Schuhen durch Desinfektionsmittel laufen, und in den Flugzeugen wurden desinfizierende Mittel versprüht.

Weil in der Türkei der gefährliche Vogelgrippe-Erreger H5N1 gefunden wurde, hat der Senat gestern noch einmal die Berliner zu besonderer Vorsicht aufgefordert. Urlauber in Rumänien und der Türkei sollten jeglichen Kontakt mit Vögeln und Geflügelprodukten vermeiden, teilte die Gesundheitsverwaltung mit. Auch von Geflügelmärkten sollten sich Urlauber fern halten, um nicht die Grippe einzuschleppen. Geflügelhalter in Berlin sollten den Kontakt ihrer Tiere mit Wildvögeln verhindern. „Im Ernstfall würden weitere Maßnahmen wie die vorübergehende Haltung der Vögel in Ställen bzw. die Überdachung von Freigehegen angeordnet werden.“ Rund 7.000 Stück Geflügel werden zurzeit in Berlin gehalten.

Für die Bevölkerung bestehe weiterhin keine Gefahr, sich mit diesem Erreger zu infizieren, hieß es. Bislang sei der Erreger in der gesamten EU noch nicht nachgewiesen worden. Auch im Ernstfall sei nur ein kleiner Personenkreis wie Veterinäre oder Geflügelhalter gefährdet. Die gefürchtete Grippepandemie könne von dem bisher in Asien nachgewiesenen Erreger nicht ausgelöst werden, da dieser nicht von Mensch auf Mensch übertragbar sei. Die große Befürchtung aber: Wandelt sich der Erreger um, könnte dieser Fall eintreten.

Davor hat offenbar manch Berliner Angst. So sei die erhöhte Nachfrage nach dem Grippemittel Tamiflu zu erklären, sagt Rainer Bienfait, Sprecher des Berliner Apotheker-Vereins. Panikmache sei nicht angesagt. Jetzt Tamiflu zu horten bringe nicht viel. Besser sei eine normale Grippeschutzimpfung, weil sie gegen bekannte Viren helfe.

Dass sich die Bevölkerung mit Tamiflu versorge, sei nicht notwendig, sagt auch Regina Kneiding, Sprecherin der Berliner Gesundheitsverwaltung. Das Land selbst lagere ab Ende des Jahres 250.000 Chargen des Therapeutikums ein, das die Symptome einer ausgebrochenen Influenza lindern könne, aber kein Wundermittel sei. Bisher jedoch sei die Vogelgrippe eine Tierseuche.

Auch das Land Brandenburg will die Grenzkontrollen verstärken. Durch eine enge Zusammenarbeit der Zollbehörden mit den Grenzveterinärdiensten müsse das Importverbot auch gegenüber Privatpersonen, die Geflügel oder Federn einführen wollen, durchgesetzt werden, so Achim Wersin, Sprecher des Brandenburger Verbraucherschutzministeriums.

Wie in Berlin gibt es derzeit auch in Brandenburg keine Stallpflicht für Geflügel. Ab jetzt aber sollen nicht mehr nur Stichproben auf Erkrankungen bei Wildvögeln untersucht werden, sondern die Geflügelproduzenten in die Pflicht genommen werden. Wer mehr als 100 Tiere hat, muss sich auf eine stichprobenartige Untersuchung der Tiere einstellen. Wersin: „Auf jeden Fall lohnt sich die Mühe, alles daranzusetzen, die Übertragungswege unter Kontrolle zu halten.“

Eine große Rolle spielt allerdings die gefühlte Gefahr der Menschen, weiß man am Flughafen Tegel. „Wir haben alle Geflügelprodukte aus den Bordmenüs genommen“, so gestern ein Mitarbeiter von Turkish Airlines stolz. „Aus psychologischen Gründen – es besteht ja keine wirkliche Gefahr.“ DAS, ROT, WS