Selbstbedienungstherapie im Netz

TELEMEDIZIN Das Neuropsychiatrische Zentrum Hamburg hat ein psychologisches Beratungssystem online gestellt. Wenn die Patienten am Rechner nicht weiterkommen, schaltet sich Therapeut ein

Auch seelisch Kranke könnnen sich via Internet helfen lassen. Ein neues System dieser Art hat das Neuropsychiatrische Zentrum Hamburg vor einem Monat online geschaltet. Es läuft derzeit in einer Testversion und heißt Incobeth: internet-based cognitive behavioral therapy (Internet-basierte kognitive Verhaltenstherapie).

Die Telemedizin existiert schon seit Ende der 1990er Jahre und umfasst allgemein jede Form der Erfassung und Übermittlung medizinischer Daten durch technische Mittel. Das Feld profitierte von der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik. Heute ist sogar eine medizinische Behandlung auf technischer Basis möglich – etwa mit Incobeth.

Das System bietet Vorteile für die Ärzte wie die Patienten. Die Ärzte werden entlastet, weil sie sich weniger intensiv um die Patienten kümmern müssen. Die Patienten müssen nicht mehr in die Praxen kommen, was Zeit und Geld spart. Auch für diejenigen, die nur eingeschränkt mobil sind, dürfte das Angebot attraktiv sein.

Incobeth ist zudem deutlich billiger als eine normale Präsenztherapie – dabei ist das System jederzeit und von überall her verfügbar. Auch auf dem Land, wo es weniger Infrastruktur und spezialisierte Ärzte gibt, findet sich normalerweise ein Internetanschluss.

Allerdings können nicht alle psychischen Erkrankungen auf diese Art und Weise behandelt werden. Die Telemedizin ist bei chronischen Volkskrankheiten, vor allem Diabetes, erfolgreich. Auch die psychische Online-Unterstützung beschäftigt sich im Moment mit gängigen Problemen: Angst, Depressionen, Sucht.

Dafür findet man im Internet eine Vielzahl von Therapie-Angeboten. Diejenigen, die medizinisch ernst zu nehmen sind, teilen sich in zwei Kategorien: Die einen stellen einen direkten Kontakt mit einem Therapeuten her, sei es per Live-Chat oder per Video-Telefonie. Die anderen bieten ein Set von Modulen an, mit denen der Patient arbeiten kann.

Incobeth führt nun diese beiden Methoden zusammen. „Es ist nicht ein bloßes Online-System“, sagt Silja Reuter – einer der leitenden Ärzte des Projekts. „Es ist uns wichtig, dass Psychotherapeuten dahinter sitzen und auch den Kontakt mit dem Patienten pflegen.“ Jeder Patient erhält bei Incobeth eine individuelles Angebot, das ein Therapeut des Zentrums für dessen Problem erarbeitet hat.

Jeder Patient, der das System nutzen möchte, braucht eine ärztliche Verordnung. Er muss bereit sein, per Internet sensible persönlichen Daten zu übermitteln. Schließlich ist das Ziel, dem Kranken mit der professionellen Hilfe so nah wie möglich zu kommen.

Die überweisenden Ärzte erhalten regelmäßig Berichte zum Heilungsverlauf. Dabei werde der Datenschutz sehr ernst genommen : „Wir bieten einen sicheren geschützten Raum“, beteuert Reuter.

Die Therapie orientiert sich am Alter, dem Geschlecht und den speziellen Gesundheitsproblemen des Patienten. Nur die dafür relevanten Module werden für den Patienten freigeschaltet. Der Therapeut beobachtet, wie der Patient mit den Modulen arbeitet; gegebenenfalls bietet er andere Module an oder die Möglichkeit, mit ihm zu sprechen.

Zum Standard gehört ein Eingangsfragebogen, den jeder Patient ausfüllen muss. Damit wird der allgemeine Zustand des Patienten ermittelt. Erscheinen die Antworten besorgniserregend, wird ein Notfallplan ausgelöst. ANNA DOTTI