Leuchten der Menschheit
vonChristiane Müller-Lobeck
: In der Liga der Überlegten

Man ahnte es ja schon, aber seit ihrem jüngsten Auftritt bei Anne Will liegt’s auf der Hand: Angela Merkel zählt zur Liga der außergewöhnlich Überlegten. Nicht auf Teflonpfannen-Art, sondern gut vermengt mit Entschlossenheit („Ich muss meinen Weg gehen.“ – Guckt Merkel Superheldenfilme?) und politischer Leidenschaft. Je stärker der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage zugesetzt wird, desto mehr zeigt sie das. Kein Fußbreit der AfD, keiner dem „Germans first“-Gequake Sigmar Gabriels. Klare Kante zeigen denen, die an den Tatsachen vorbei für Deutschland Katastrophenalarm schlagen wollen, für Dark Wing Horst ein Lächeln.

Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es das gar nicht so selten, dass jemand auf diese sympathisch umfassende Art überlegt ist. Ulf Küch zum Beispiel. Der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamten war schon verschiedentlich in Talkshows zu sehen, hat 2015 eine „Soko Asyl“ gegründet und unter diesem Titel jetzt ein Buch geschrieben (Riva Verlag 2016). Eins von denen, die man sehr gut einfach so weglesen kann und die es trotzdem in sich haben. Leidenschaftlich ist Küch auch. Kein Wunder: Seine Sonderkommission macht anscheinend einen guten Job.

Nachdem in Kralenriede, einem Braunschweiger Stadtteil mit sehr niedriger Kriminalitätsrate, eine Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge eingerichtet worden war, häuften sich dort Beschwerden von Anwohnern, Ladendiebstähle und Wohnungseinbrüche. Küch gründete eine Sonderkommission, die inzwischen aus Gründen der Political Correctness „Soko ZERM“ heißt. Die neue Abteilung ging den Anzeigen nach und zeigte im Viertel wie in der Unterkunft Präsenz. Binnen kurzer Zeit waren die Täter gefasst und die Anwohner beruhigt. Man hatte die Sache im Griff.

Küch schweigt auch über die Probleme nicht. Für die meisten Diebstähle etwa sind nämlich, so schreibt er, organisierte Kriminelle verantwortlich, unter verschiedenen Identitäten, oder nicht registrierte Leute (da sieht er Handlungsbedarf), in der Regel ohne Anspruch auf Asyl, die schwer festzusetzen sind. Küch wird nicht müde, immer wieder zu betonen und mit Zahlen zu belegen, dass die Kriminalitätsrate von Flüchtlingen nicht höher ist als die anderer Personengruppen.

Es ist doch ganz einfach: Durch die Geflüchteten entstehen allerorten neue Situationen, und um mit ihnen klarzukommen, muss man ein bisschen überlegen. In Küchs Worten, auch mit Blick auf die Kölner Silvesternacht: Man sollte „auf spezielle Kriminalitätsentwicklungen, wenn sie sich kurzfristig ergeben, mit einer flexiblen Organisationsform reagieren“. Ob leidenschaftliche Aufklärung gegen Gerüchte, Hassparolen und Molotowcocktails auf Flüchtlingsunterkünfte hilft? Was sonst? Gar keine Aufklärung hilft jedenfalls nicht.

Die Autorinist freie Journalistin in Hamburg