LeserInnenbriefe
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Die Lebenswelt ernst nehmen

betr.: „Erstarrte Bewegung“, taz vom 9. 2. 2016

Dass Attac an Schwung verloren hat ist bedauerlich. Herr Grottian verwechselt mit seinem Befund die „jungen Leute“ verbringen zu viel Zeit mit „Medienkonsum“, anstatt sozial bewegt zu sein, aber wohl Ursache mit Wirkung. Bleiben junge Leute „bestenfalls ratlos hocken“? Attac oder zumindest sein Wissenschaftlicher Beirat mit seinen „klugen Individualisten“ würde gut daran tun, nicht die junge Generation und deren Medienverhalten für den Untergang der ehemaligen Vorreiterbewegung mitverantwortlich zu machen. Die pauschalisierende Haltung, dass Medienkonsum ein Problem sei, führt dazu, dass junge Leute kein Interesse an dieser Art von Bewegung haben. Oder warum sollten sie mit alten Männern diskutieren, wenn sie im und mit dem Internet viel mehr bewegen können? Grottian und seine Mitstreiter_innen sollten die Lebenswelt von jungen Menschen ernst nehmen – dann klappt das auch mit dem Nachwuchs. Die Form des Protests ändert sich nämlich, was bleibt sind alte Männer, die sich über junge Menschen ärgern. LUKAS DAUBNER, Sprecher der Initiative „Was bildet ihr uns ein?“, Berlin

Mehr Nervpotenzial

betr.: „Der Königspudel der Talkshowtalker ist tot“, taz vom 10. 2. 2016

Hallo Kriegsreporterin, zu Ihrer Frage, warum man für Leute kämpfen sollte, die selbst nicht kämpfen wollen oder können (betrifft: Scheinselbstständigkeit von Journalisten) – die Frage ist gut: Warum kämpfen Gewerkschaftler und Betriebsräte lieber für Leute, denen es vergleichsweise gut geht, während die, die im Regen stehen, Pech gehabt haben (Beispiel: Scheinselbstständigkeit von Lehrkräften)? Die Antwort ist vielleicht ganz einfach: Weil die, für die gekämpft wird, mehr Nervpotenzial (Beispiel: Lokführer) haben als die anderen. Interessant ist noch ein anderer Punkt: Über das Problem von Scheinselbstständigkeit wird generell wenig berichtet, obwohl ganze Bereiche der New Economy ohne diese Beschäftigten nicht funktionieren könnten. Vielleicht gibt es für diese Zurückhaltung der Journalisten eine Erklärung: Das Thema liegt zu nah an der persönlichen Betroffenheit: Scheinselbstständigkeit findet schon am eigenen oder am nächstgelegenen Schreibtisch statt. RAINER MEYER, Bonn

Den Kompass verloren?

betr.: „Herrschaft des Unrechts“, taz vom 11. 2. 2016

Dem allgemeinen Tenor der Kritik an Horst Seehofers erneutem Verbalausfall ist aus- wie nachdrücklich zuzustimmen. Der CSU-Vorsitzende hat sich leider, und dafür ist freilich kein Grund gut genug, von einem wichtigen Politiker qua Amt über den Meinungsgaukler zum Politnarr gemacht, offensichtlich stets bereit, den nächsten verbalen Amoklauf zu starten. Mit seinem demagogischen Habitus stellt sich Seehofer auf eine Stufe mit anderen politischen Akteuren, denen man gemeinhin keine demokratische Verfasstheit zugesteht und deren Beleidigungen man ob ihrer Ansammlung kaum noch ernst nehmen kann.

Ohne Frage, es sind – für uns alle – bewegende Zeiten, aber der Ministerpräsident einer christlich-sozialen Partei sollte allenthalben über einen demokratisch geeichten Kompass verfügen. IRA BARTSCH, Lichtenau-Herbram

„Ja, ja, ick weeß!“

betr.: „Kein Grund für niedrigere Dieselsteuer“, taz vom 12. 2. 2016

Ist ja alles ganz hübsch und grün, was der gute Eichel da vorschlägt, und der denkende Bürger fragt sich, warum diese vernünftigen Dinge nicht längst umgesetzt wurden? Die Antwort ist bekannt, oder? Aber alle Vorschläge von Eichel greifen viel zu kurz. Warum nicht mal was richtig Heftiges fordern? Etwa eine Energiesteuer, die den Namen verdient: 50 Eurocent pro verbrauchter Kilowattstunde für ausnahmslos jeden. Heißa, das würde so massenhaft Geld in die Staatskasse spülen, dass wir praktisch alle anderen Steuern abschaffen und darüber hinaus unsere Sozialsysteme wie Kranken- und Rentenversicherung finanzieren könnten. Sogar unsere Staatsschulden könnten wir zügig tilgen. Auf einen Schlag würde sich Energie derart verteuern, dass wieder massenhaft Menschen in Lohn und Brot kämen, statt sie wie heutzutage durch Energiesklaven (Maschinen) zu ersetzen. Energieaufwendige Produkte würden richtig Geld kosten, dafür würde es sich lohnen, Dinge zu reparieren, statt sie achtlos wegzuwerfen. Zum Bürokratieabbau könnten wir Heere von Finanzbeamten einsparen, dafür Lehrer ohne Ende einstellen, ein chancengleiches und kostenloses Bildungssystem schaffen, wir könnten mühelos Asylsuchende aufnehmen. Würde als Folge des Ganzen Energie eingespart werden, dann würde einfach die Energiesteuer erhöht werden. Aber, der absolute Hammer bei all dem wäre, keiner könnte um Steuern bescheißen, denn am Stromzähler wäre der Verbrauch abzulesen. („Ja, ja, ick weeß! Jibt keene Mehrheit’n dafür! Und übahaupt, Deutschland als Exportnation, wie solln dit jehn?) Nun ja, leider ist so ein Konzept mit unseren Wirtschaftslobbyisten und Verwaltern (statt Gestaltern) wie Schäuble, Gabriel und Merkel nicht auf den Weg zu bringen! HARALD SEILING, Schönfeld