Es bleibt spannend

Unmut Aufrüstung der Bundeswehr, bayerische Leitkultur im Verfassungs­rang. Und noch ein paar andere Themen, die LeserInnen beschäftigen

Früher Kettenhemd, heute Schutzweste. Ursula von der Leyen in Kabul Foto: dpa

Keine Gegner

betr.: „Die fetten Jahre fangen an“, taz vom 28. 1. 16

Otfried Nassauer, Sie haben ja so recht, wenn sie schreiben: „Die Industrie hat das Beschaffungschaos der letzten Jahre mit zu verantworten.“ Der gesellschaftspolitischen und demokratischen Relevanz wird aus Sicht der Friedensbewegung in den anzuerkennenden Beiträgen (auch auf Seite 2) allerdings zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

In Zeiten einer Großen Koalition leidet die Demokratie als Ganzes. Unsere Demokratie ist auf eine starke parlamentarische Opposition angewiesen. Die außerparlamentarische Friedensbewegung oder die Friedensaktivisten in der Partei Die Linke reichen da nicht, weil eine Große Koalition, die vorgibt, die Mitte zu vertreten, einen zu starken Block bildet.

Der Kernsatz ist das Zitat von der Leyens, „wenn man möchte, dass die Bundeswehr vielfältige Aufgaben wahrnimmt“. Hier müsste eigentlich ein Blick in unser Grundgesetz reichen, um festzustellen, dass unsere Armee eine Verteidigungsarmee bleiben muss. Nach den Zeiten des Kalten Krieges scheint der Rüstungsindustrie der Gegner abhanden gekommen zu sein – die Menschen freuen sich darüber!

NORBERT VOSS , Berlin

Öl ins Feuer

betr.: „Bundeswehr: CDU lehnt Obergrenze ab“, taz vom 28. 1. 16

Zuerst der Bericht des Bundeswehrbeauftragten Bartels (SPD) mit dem entsprechenden Horrorszenario und dann die rasche Forderung der „Kriegsministerin“ von der Leyen (CDU) nach schlappen 130 Milliarden Euro für die Truppe. Damit will sie Sorge dafür tragen, dass ihre markigen Sprüche aus dem Vorjahr: Deutschland sei bereit, mehr Verantwortung in internationalen Krisen zu übernehmen, umgesetzt werden können. Die 52. „Sicherheitskonferenz“ im nächsten Monat in München steht ins Haus und man will mit den Verbündeten gemeinsam kämpfen! Dafür wird Geld gebraucht, das an anderer Stelle viel sinnvoller eingesetzt werden kann und muss.

Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) fordert zu Recht: Nötig sei nicht mehr Geld für die Truppe, sondern eine gründliche Aufgabenkritik. Es herrsche kein Geldmangel, sondern Managementmangel. Die Forderungen nach mehr Finanzmitteln seien ein „unverantwortlicher Umgang mit dem Geld der Steuerzahler“.

Diese Feststellung muss um die Forderung nach einem Verbot des Einsatzes der Bundeswehr im Ausland erweitert werden. Das Parlament muss sich dem Einsatz der Soldatinnen und Soldaten unter anderem in Mali und Nordirak verweigern. Wir sollten unsere ganze Kraft in friedensstiftende Maßnahmen investieren und nicht noch Öl ins Feuer bestehender Krisenherde gießen.

RAIMON BRETE , Chemnitz

Aigners Seelenlage

betr.: „CSU weltoffen: ‚Wir zwingen niemanden, Tracht zu tragen‘“, taz vom 27. 1. 16

Die bayerische Vizeministerpräsidentin Ilse Aigner hat natürlich recht damit, dass niemand Angst zu haben braucht, wenn eines Tages die „Leitkultur“ (die deutsche oder die bayerische?) in die bayerische Verfassung aufgenommen werden sollte. Schließlich stehen in der Verfassung auch so schöne Forderungen wie der „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ und die „Erhaltung kennzeichnender Landschaftsbilder“ (Paragraf 141), bei denen noch niemand auf die Idee gekommen ist, sie umzusetzen.

Auch von einer Verwirklichung der Forderungen, dass die „Kapitalbildung nicht Selbstzweck“ sein dürfe, oder dass „Geld- und Kreditwesen der Werteschaffung und der Befriedigung der Bedürfnisse aller Bewohner“ dienen müsse (Paragraf 151), ist bisher in Bayern nichts zu sehen.

Im Übrigen fällt auch bei diesem Interview auf, dass der Journalist darauf verzichtet hat, bei den wirklich brennenden Themen kritisch nachzufragen. Ich vermute, viele Leser hätten sich mehr dafür interessiert, wie die von der CSU geforderten Obergrenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen konkret durchgesetzt werden sollen (wenn nötig mit Schießbefehl?), als für Frau Aigners Sicht der Seelenlage der Kanzlerin. HANS KUEHNER, München

Chauvinismus

betr.: „Das geht an die Grundfesten der Union“, taz.de vom 27. 1. 16

„Leitkultur heißt, dass wir uns unserer Werte vergewissern und unsere Grundwerte verteidigen.“

Eigentlich ist es ein soziologischer Begriff, der harmlos ist, aber da er ja immer chauvinistisch verstanden wird, ist er in der Politik fehl am Platze. Im Übrigen schützen die Grundrechte ja ausdrücklich auch die Freiheit der Weltanschauung. Grundwerte sind Abwehrrechte gegen den Staat, nicht positiv durchzusetzende Politikprinzipien. Alles andere führt nach Popper aus der offenen Gesellschaft raus und widerspricht dem Demokratieprinzip.

ANSGAR REB , taz.de

Mission Innovation

betr.: „Unternehmung Gemeinwohl“, taz.de vom 21. 1. 16

Es ist gut, dass sich Misereor und Brot für die Welt näher mit Bill Gates & Co. befassen: Bill Gates will Afrika mit gentechnisch veränderten Organismen und die Welt mit mehr Atomenergie beglücken. Er investiert in die Hochrisikotechnologie CCS (die keine Versicherung versichern will) und andere Geoengineering-Technologien. Gates gehört zu den Milliardären, die im Dezember in Paris ihre Break­through Energy Coalition ins Leben riefen und der sich 20 Regierungen – auch die deutsche – unter dem Projektnamen „Mission Innovation“ anschlossen. (Geoengineering ist schon jetzt Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft.) Zu den Milliardären liefert die Journalistin Kathrin Hartmann ausführliche Informationen, empfehlenswert sind auch Beiträge zu Paris etc. auf dem boellblog.

In Deutschland unterstützen die Stiftung Mercator und die European Climate Foundation die äußerst einflussreichen CCS-Befürworter Prof. Schellnhuber und Prof. Edenhofer. Die Stiftungen finanzieren auch die Denkfabriken „Agora Energiewende“ und „Agora Verkehrswende“, die Politiker in Berlin und Brüssel beraten.

Regina Rensink, Stadum

Sehr unentspannt

betr.: „ Was wir brauchen: Elite! Leistung! Erfolg!“, taz vom 29. 1. 16

oje, armer bernhard pötter, das klingt doch alles sehr – na ja, gehetzt und unentspannt. so viel erfolgsdruck überall, da weiß man ja mal wieder gar nicht, wo man anfangen soll. diese kolumne klingt wie die geschichte vom wettlauf von igel und hase. – ick bin all hier – herrlich.

was nützt mir „ein pilot, der auf zack ist“, wenn er von seinem copiloten ausgesperrt wird und dieser seelenruhig gegen die nächste wand fliegt?

was nützt mir der „chirurg mit einer eins im staatsexamen“, wenn mir nach der op multiresistente keime den garaus machen? in aller ruhe,versteht sich.

herr pötter hechelt von einem allgemeinplatz zum nächsten. ich empfehle, das flugzeug einfach mal wieder stehen zu lassen und zu fuss zu gehen. das entschleunigt.

Boris Krumm, Hopfgarten

Wohin gehört Bayern?

betr.: „Das geht an die Grundfesten der Union“, taz vom 27. 1. 16

Wie soll ich das verstehen? Für Ilse Aigner ist die Zuwanderung von zwei Millionen Deutschen, Europäern und Menschen aus der ganzen Welt in 25 Jahren das beste Beispiel für ein weltoffenes Bayern. Auch Söder, Seehofer und Anhang sprechen meistens vom Freistaat Bayern und Deutschland. Hab ich etwas verpasst? Gehört Bayern nicht mehr zu Deutschland? Bin ich als Bremerin eine Zuwanderin und muss ich vielleicht einen Asylantrag stellen, wenn ich die Grenze zum Freistaat Bayern passieren will? Dann muss ich vorher noch meinen Reisepass verlängern lassen.

MARIANNE TEUBERT , Bremen

„Hungerhaken“

„Spießrutenlaufen für Dicke“, taz vom 22. 1. 16

Übergewicht soll zu 80 Prozent genetisch bedingt sein? Unsere Genetik hat sich in den letzten 100.000 Jahren um weniger als 1 Prozent verändert. Massiv übergewichtig sind wir aber erst seit circa 65 Jahren. Die Gene, die uns heute so fett machen, sind die, die uns in den 100.000 Jahren vorher das Überleben gesichert haben. Das Problem ist nicht die Genetik, sondern dass wir nicht mehr so leben, wie es diesen Genen angemessen wäre. Wir bewegen uns zu wenig, sitzen zu viel und können den ganzen Tag essen.

Am Übergewicht schuld seien Umweltfaktoren wie der Bildungsstand der Eltern, der Wohnort und die kulturelle Verwurzelung?

Da werden mal wieder Korrelationen mit Kausalitäten verwechselt.

Dicke werden diskriminiert? In meiner Gegend (Nordkreis Osnabrück) ist die Mehrheit der Bevölkerung so übergewichtig, dass Menschen mit mäßigem Übergewicht – so BMI 26 – als schlank gelten. BMI um 30 (Grenze zur Fettsucht) gilt als normal. Schlanke Kinder werden schon mal als „Hungerhaken“ gemobbt.

Dass Übergewicht die Hauptursache für diverse Krankheiten wie auch Krebs ist, sollte sich schon rumgesprochen haben. Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen hat erhebliche Folgen für deren weiteres Leben.

Wieder einmal wird „die Gesellschaft“ verantwortlich gemacht für etwas, bei dem sich die wenigsten Menschen hineinreden lassen wollen. Interessant, dass das Wort „Ernährung“ dabei fast nur in Form von Diät oder Ernährungswissenschaft vorkommt. Als hätte Ernährung mit Übergewicht eigentlich nichts zu tun.

Sinnvoller, als Dicken ein gutes Körpergefühl einzureden, wäre, ihnen beizubringen, wie sie sich ernähren und bewegen sollen. Das bringt automatisch ein gutes Körpergefühl: wer seinen Körper beherrscht, hat ein gutes Gefühl zu sich selbst.

Die Begriffe „Healthismus“ und Selbstoptimierung werden mit deutlich negativer Konnotation als Etikett auf Menschen geklebt, die sich um eine gesunde und genetisch korrekte Ernährung und Lebensführung bemühen.

Das passt schon dazu, dass „Lebensmittel“ – damit meine ich die Produkte der Lebensmittelindustrie – nicht mal erwähnt werden. Dabei sind gerade Geschmacksverstärker, Süßstoffe jeder Art, auch Zucker, und das Übermaß an Getreideprodukten sowie künstlich gehärtete Fette an dem epidemischen Ausmaß des Übergewichts beteiligt.

Es passt, dass Firmen wie Südzucker vom Staat subventioniert werden.

Es passt, dass die Empfehlung der WHO, Zucker als gefährlich auf „Nahrungsmitteln“ zu kennzeichnen, von der EU abgelehnt wurde. Schließlich hatte die Süßwarenindustrie ja gerade verkündet, dass sie ihre Absatzzahlen deutlich zu erhöhen gedenkt.

Es passt auch, dass in dieser Zeitung die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) immer wieder mit dem Etikett „renommiert“ versehen wird – obwohl mit deren Ernährungsempfehlungen Fettsucht vorprogrammiert ist.

Ursula Kretzer, Ankum