Im Fahrstuhl mit Franz

Immer nah am Kaiser: "Sport-Bild"-Chef Alfred Draxler Foto: dpa

Was mag Sport-Bild-Chefredakteur Alfred Draxler wohl gedacht haben, als er am Wochenende die Nachrichten verfolgte? Wähnte er sich im falschen Film oder war er doch insgeheim wenig überrascht, als erst DFB-Präsident Wolfgang Niersbach seinen Rücktritt bekannt gab und wenig später ein geleakter Vertragsentwurf neue Argumente dafür lieferten, dass mit dem Segen Franz Beckenbauers Bestechungsgelder bei der Vergabe der WM 2006 geflossen sind?

Draxler hatte in den vergangenen Wochen seine ganz eigene Version für das gefunden, was im Sommer 2000 zwischen der Fifa und dem größten Sport-Fachverband der Welt ablief. Grundtenor: Alles tutti. Das Sommermärchen war nicht gekauft. Die Recherchen des Spiegels rückte er in die Nähe der Hitler-Tagebücher.

Woher er diese Sicherheit nahm? Beckenbauer und Draxler kennen sich seit Jahrzehnten. Der Journalist Draxler war dabei, als die Bild den „Kaiser“ vor der WM 1990 ins Amt des DFB-Teamchefs schrieb. Bei der WM 2006 flogen er und Beckenbauer, inzwischen Chef des Organisationskomitees, im Helikopter über ihr fußballtrunkenes Deutschland. Beckenbauer wurde zu einem „langjährigen Freund“ – unzertrennlich. Daran erinnerte sich Draxler, als die Luft für Beckenbauer und Co immer dünner wurde. Er sei sich bewusst, dass er damit seine „Reputation als Journalist aufs Spiel setze“, schrieb er noch Ende Oktober – nicht einfach so, sondern in Großbuchstaben.

Draxler lieferte damit selbst die Ziegelsteine, hinter denen sich Niersbach und Beckenbauer wochenlang verbal einmauern konnten. Jetzt ist diese Mauer in sich zusammengefallen. Sie begräbt nicht nur Niersbach und Beckenbauer, sondern auch Draxler. Der entschuldigte sich am Montag hastig per Twitter beim Spiegel und dessen Chefredakteur.

Wer mit der Bild „im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“, hat Springer-Chef Mathias Döpfner einst gesagt. Falls dies im Umkehrschluss auch für Springer-Journalisten gilt, dann rauscht Alfred Draxler gerade mit Franz Beckenbauer ins Untergeschoss. Ronny Müller

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