Der frierende Bub

Ein Herbstgedicht

Das Herbstlaub gammelt in der Ecke, Zweitausendfünf wird langsam alt. Nur selten sind noch Sonnenflecke und drumherum ist‘s bitter kalt.

Der Wind, er heult, die Kälte würgt gemein von hinten an der Kehle, sie kratzt und spuckt und beißt und bürgt fürs End – von Liebe, Leib und Seele.

Dort, glücklich rennt und jauchzt ein Kind, ein Bub, allein auf weiter Flur, sein Drachen wippt und wogt im Wind, zischt durch die Luft an seiner Schnur.

Der Junge spürt die Kälte nicht. Renn heim, Bub, ehe du erfrierst! Doch Stolz wärmt strahlend sein Gesicht, die rote Nase frisch gepierct.

Er hat nur Augen für den Drachen, der hält ihn ganz in seinem Bann. Was Drachen doch für Sachen machen ...Der Bub hat keine Mütze an!

Schluss! Dafür wurdst du nicht geborn, verlierst die Lein aus klammer Hand, die Füße sind schon abgefrorn – doch er springt weiter übers Land.

Halt endlich ein mit deinem Treiben, hör hin, die Turmuhr schlägt schon acht. Willst starr du in der Kälte bleiben? Ein Klumpen nur, in eis‘ger Nacht?

Die Kälte, sie kennt kein Erbarmen, der Drachen schaurig surrt und gellt, zerrt an den dünnen Kinderarmen den Jungen weit hinaus aufs Feld.

O, morgen steht‘s in jeder Zeitung ...Die Schnur des Drachens fest im Arm, sie saust in hochgespannte Leitung, da wird dem Buben endlich warm.

Jess Jochimsen