Ministerin mit Geschichte

Ein kleines Stück Geschichte hat Johanna Wanka bereits geschrieben: Als erste Politikerin aus Ostdeutschland wurde die CDU-Frau Ministerin in einem westdeutschen Bundesland. Bis dahin liefen solche Besetzungen eher andersrum. 2009 betraute sie der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) mit dem Kultur- und Wissenschaftsressort.

Und in dieser Funktion hält die Mathematikerin an einem Konzept fest, das anderswo längst Geschichte ist. Als einzige Bundesländer erheben Niedersachsen und Bayern noch Studiengebühren, in fünf weiteren Ländern sind sie nach wenigen Jahren wieder abgeschafft worden. Und während in Bayern in dieser Woche ein Volksbegehren zu ihrer Abschaffung gestartet wurde, scheinen die Gebühren trotz wütender Proteste in Niedersachsen in Stein gemeißelt – mehr noch: Wanka geht davon aus, dass sie in den kommenden fünf Jahren bundesweit eingeführt werden.

An Überzeugung mangelt es der 61-Jährigen nicht, an Selbstbewusstsein wohl auch nicht –davon konnten sich zuletzt Vertreter des Oldenburger Stadtrates überzeugen, die im Verwaltungsausschuss des dortigen Staatstheaters über die Neubesetzung des Generalintendantenpostens abstimmen sollten. Sie waren zur entscheidenden Sitzung eingeladen worden, ohne vorher zu erfahren, über wen sie da eigentlich abstimmen sollten – obwohl die Stadt ein Viertel des 24-Millionen-Euro-Etats des Hauses trägt. Der Vorschlag der Kommunalpolitiker, die Abstimmung wenigstens bis zum Montag zu verschieben, sei vom Tisch gewischt worden. Wer wissen wollte, über wen er da abstimmen sollte, musste sich die nötigen Infos während der nicht-öffentlichen Sitzung im Internet zusammensuchen.

Vor allem die Grünen werfen der Ministerin vor, sie habe diese wichtige Personalfrage noch „schnell vor der Wahl eintüten“ wollen. Der Ausschuss – in dem außer den vier städtischen Abgeordneten noch sechs vom Land bestellte Vertreter sitzen, darunter drei aus der Wirtschaft und drei CDU-Politiker – sei nur zum Abnicken da. Drei städtische Mitglieder hatten sich aus Protest der Stimme enthalten, Wanka sprach dennoch von Einmütigkeit.

Die Brandenburgerin gilt als starke Ministerin, die ihren Laden im Griff hat und es in Zeiten klammer Kassen schaffte, die Mittel für das Kulturressort aufzustocken. Helfen wird ihr das nicht, sollte es am Sonntag nicht zu einer Fortsetzung der schwarz-gelben Regierungskoalition reichen. Damit wäre auch ihr Gastspiel in Niedersachsen wohl Geschichte. Einen Wahlkreis oder Listenplatz hat die ehemalige Mathematik-Professorin nicht.  MAIK NOLTE