LeserInnenbriefe
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„Spezifisch männlicher“ Blick

betr.: „Ausbruch aus der Sprachlosigkeit“, taz vom 20. 7. 15

Sehr geehrter Herr Wackwitz, Emily Dickinsons Gedichte haben seit Langem ihren festen, unumstrittenen Platz in der amerikanischen Literaturgeschichte. Ich finde es daher nicht sinnvoll, sie so zu besprechen, als handele es sich um Neuerscheinungen. Interessant wäre es allerdings gewesen, sich die neue Übersetzung genauer anzusehen. Ist sie gelungen angesichts der fast unlösbaren Aufgabe, diese sehr dichte, knappe und rhythmische Dichtung in eine andere Sprache zu übertragen? Dazu ist bei Ihnen leider nur ein kurzer, sehr allgemeiner Satz zu lesen.

Besonders störend am Artikel finde ich die Betonung von Emily Dickinsons angeblich spezifisch weiblichem Blickwinkel. Dies ist in meinen Augen eine Eigenart (um nicht zu sagen: Unart) von Kritikern, die einen „spezifisch männlichen“ und damit sehr eingeschränkten Blickwinkel einnehmen. Was genau ist denn an Dickinsons Lyrik so weiblich? Die Themen: Beschäftigung mit existenziellen Fragen und mit der Natur? Oder die Form: Moderne Metrik und elliptische Verse? So etwas haben doch auch schon männliche Dichter hinbekommen.

Keine Frage, die Gedichte von Emily Dickinson sind oft schwierig, und nicht jeder vermag ihre Qualität zu erfassen. Auch können bei einer solchen Fülle an Werken, die zudem ohne das Wissen der Autorin herausgegeben wurden, nicht alle Gedichte Glanzstücke sein. Aber muss man sie deshalb in die Nähe von Poesiealben-Verschen rücken?

PETRA KOSLOWSKI, Göttingen

In besonderen Positionen

betr.: „Mit kindlichem Blick“, taz vom 18. 7. 15, „Die Verlobung“, taz vom 27. 6. 15

Ich begrüße Ihre Idee, Frauen in besonderen Positionen in der sonntaz zu porträtieren. Der Anfang lässt jedoch nichts Gutes ahnen.

Wenn Sie schon eine so interessante und vielseitige Frau wie Katrin Suder darstellen, so könnten Sie sie selbst zu Wort kommen lassen oder sachlich über ihr Leben und ihre Pläne berichten. Stattdessen lassen Sie einen Sozialpsychologen sich in Spekulationen über ihr inneres Kind und dergleichen ergehen. Das ist übergriffig, und man erfährt mehr über die Vorstellungswelt des Psychologen als über die Staatssekretärin. Ich hoffe sehr, dass dies ein einmaliger Ausrutscher war.

In einer anderen sonntaz bringen sie eine Doppelseite über eine Verlobung bei den Roma mit dem ganzen scheußlichen sexistischen Getue um die Entjungferung und den Blutfleck im Laken. Halten Sie das für Folklore? Im Zusammenhang mit einer sicher zu Recht positiven Darstellung eines Vereins von Leuten, die Roma unterstützen, wirkt das so. Ich wünsche mir von Journalisten einen kritischen Kommentar dazu!

MARIE SICHTERMANN, Zülpich

Verfassungswidrige Gesetze

betr.: „Bund durfte Betreuungsgeld nicht einführen“,taz vom 22. 7. 15

Es gibt in Deutschland eine Partei, deren Kernkompetenz darin besteht, verfassungswidrige Gesetze durchzufechten. Nach dem Desaster mit der Pkw-Maut hat die CSU nun eine weitere Niederlage mit dem Gesetz für das Betreuungsgeld erlitten. Und trotzdem tönt es trotzig aus Bayern, man werde an beiden Vorhaben weiterhin festhalten. Für politisch interessierte Bürger werden diese bayerischen Denkweisen und Stammtischparolen langsam unerträglich, weil sie populistisch und nur darauf ausgerichtet sind, den Machtfaktor CSU auch weiterhin in Bayern zu stärken! Und nun will Herr Seehofer noch obendrein das Betreuungsgeld für Bayern erhalten, es sich aber vom Bund bezahlen lassen. Das geht nun gar nicht, im Gegenteil: Man sollte die bayerische Landesregierung eher für die verfassungswidrig gezahlten Betreuungsgelder in ganz Deutschland haftbar machen!

THOMAS HENSCHKE, Berlin

Gesetze, die keine/r will

betr.: „Jetzt muss der Kita-Ausbau kommen“, taz vom 22. 7. 15

Die in dem Kommentar vertretenen Folgerungen sind sicher richtig, doch bleiben sie leider an der Oberfläche.

Sind denn Politiker, die in der Regel eine Parteikarriere hinter sich haben (nach oben buckeln – nach unten treten), klügere Menschen geworden, wenn sie an der Spitze sind? Die Praxis zeigt das Gegenteil: Von den Nöten und Sorgen der Wähler abgehoben, werden Gesetze diskutiert, die keiner will. Wenn erst das Verfassungsgericht den Unsinn bremsen muss, die letzte Instanz, läuft doch viel mehr schief! Außerdem gibt es undemokratische Auswüchse wie Parteiendisziplin – jenseits der Entscheidung nach eigenem Gewissen.

Als Wähler und Bürger haben wir keine Möglichkeiten, die offensichtlich nach der Wahl nicht mehr bekannten Wahlversprechen einzufordern. Ist das noch Demokratie? Brauchen wir Spitzenpolitiker, die sich für das Wohlergehen der Großindustrie, der global agierenden Konzerne und der Banken einsetzen? Brauchen wir Politiker, die Nebelkerzen schießen: Maut/Betreuungsgeld?

NORBERT VOSS, Berlin