Atomkraftgegner feiern ein Familienfest

Demonstranten in Lüneburg fordern die SPD auf, ihr Wahlversprechen einzuhalten und den Atomausstieg zu sichern

LÜNEBURG taz ■ Wenn man die Polizeieinsatzkräfte mitzählt, die am vergangenen Samstag die Lüneburger Innenstadt bevölkerten, dann war die Demonstration gegen Atomkraft und für erneuerbare Energien eine sehr gut besuchte Veranstaltung: Schon am frühen Vormittag schillerte die Fußgängerzone der niedersächsischen Kleinstadt in Grün und Silber. Und das hatte ausnahmsweise nichts mit vorweihnachtlicher Dekoration zu tun.

Die Einsatzkräfte observierten alle Knotenpunkte in der City. Angeblich hatten sie Hinweise auf die Anreise von zirka „ 200 Personen aus dem gewaltbereiten Spektrum“, vor allem aus Göttingen, erhalten. Doch blieb die Veranstaltung ein Familienfest der Antiatomkraftszene.

Die geschätzte Teilnehmerzahl der Veranstaltung lag laut Auskunft der Polizeidirektion in Lüneburg bei 2.600 Personen, an die 7.000 Leute meinte der Veranstalter gesehen zu haben. Die Demo jedenfalls hatte Freizeitwert. Im Lüneburger Stadtpark wurde gesungen und getanzt, selbst gebackener Kuchen machte die Runde. Und die eigens geprägte „Wendlandmünze“ zum Mitnehmen gab es auch. Eine originelle Idee steuerte das Netzwerk „Campact“ aus Verden zur Veranstaltung bei: Per Mail konnten hier Demoteilnehmer die SPD-Zentrale in Berlin an die Einhaltung eines Versprechens aus dem letzten Bundestagswahlkampf erinnern: Denn „Für den Atomausstieg, gegen neue Atomkraftwerke“ hatte es seitens der SPD auf zahlreichen Wahlplakaten noch im September geheißen.

Doch die Anti-AKW-Bewegung fürchtet nun, dass die SPD bei den Koalitionsverhandlungen ins Wackeln kommt. „Entscheidend ist, ob es jetzt genügend öffentlichen Druck für den Atomausstieg gibt“, meinte Christoph Bautz vom Netzwerk „Campact“. Auch Thorben Becker, der zum Organisationsstab der Veranstalter gehörte, will die SPD nicht aus ihrer Pflicht entlassen: „Wir müssen diese Leute massiv an die Einhaltung ihres Wahlversprechens erinnern.“

Den Anti-AKW-Demonstranten macht dabei auch nur wenig Hoffnung, dass SPD-Mann Sigmar Gabriel jetzt Bundesumweltminister werden soll. Keiner von ihnen glaubt, dass der Ex -Ministerpräsident von Niedersachsen sich wirklich gegen die Atomkraft stemmt. „Wenn die SPD ihre Linie zum Atomausstieg schon in den Koalitionsverhandlungen nicht halten kann, ist das Gabriels erste Fehlleistung vor Amtsantritt“, sagt Bettina Dannheim, Mitglied im Presseteam des Veranstalters.

Inhaltlich sind die Forderungen der Anti-AKW-Bewegung im Übrigen die Alten geblieben: Die Abkehr „von Öl, Gas und Atom“, verlangte der Vorstand der Firma Eurosolar, Fabio Longo. Er sagte: „Wer mit erneuerbaren Energien arbeitet, braucht keine Kriege um Öl zu führen und leistet keinen Beitrag zum Bau von Atombomben.“ ELKE SCHNEEFUSS