Der erste Kontakt mit einem Flüchtling

Kongress Schüler treffen beim Flüchtlingskongress auf Betroffene, Aktivisten und Wissenschaftler

Rollenspiel: Schüler sind Grenzer und Flüchtlinge

Felleke steht vor der Tafel des Hörsaals. Er spricht mit ruhiger und klarer Stimme über eine Hungersnot in seinem Ort und über Männer, die sich aus Angst, als Soldaten eingezogen zu werden, im Wald versteckten. Felleke flüchtete aus Äthiopien, während das Land Krieg mit Eritrea führte. Vor ihm sitzen mehr als 250 Schüler und Studenten. Keiner redet mit seinem Nachbarn. Jeder blickt auf Felleke.

„Wir wollten den Schülern die Möglichkeit geben, sich ein eigenes Bild zu machen“, sagt Jan Börger vom Bündnis Refugee Schul- und Unistreik. Die Aktivisten des Bündnisses veranstalteten deshalb am Freitag an der TU einen Schüler- und Studenten-Kongress zu den Themen „Flucht, Migration und Rassismus“. Fast alle von ihnen gehen selber noch zur Schule. Normalerweise organisieren sie Proteste gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik.

Fluchtursachen erfahren

In verschiedenen Workshops und Vorträgen konnten sich die TeilnehmerInnen informieren. Salua Nour, TU-Dozentin für Osteuropa- und Afrikawissenschaften, sprach über Fluchtursachen. Geflüchtete Frauen, die sich im „International Woman’s Space“ organisieren, zeigten, was Flucht und Geschlecht miteinander zu tun haben. Und um Rechtsextremismus ging es bei einem Vortrag der Landesschülervertretung. Eine elfte Klasse der Montessori-Gemeinschaftsschule in Steglitz war auch dabei. „Viele in meiner Klasse haben wenig Ahnung von Flüchtlingen oder der Politik, die die Europäische Union dazu macht“, sagt Sinja Hatschmann ehrlich. „Es ist wichtig, dass wir hier sind.“ Hanno Heekeren erklärt, dass zwar schon im Unterricht darüber geredet wurde, „aber wir haben die Geschichte noch nie von einem Flüchtling erzählt bekommen“.

Flüchtlingspolitik verstehen

Die Schüler der Montessori-Schule besuchten auch einen Workshop von Borderline Europe. Die Organisation möchte die Öffentlichkeit über die Situation an den Außengrenzen der EU aufklären. Ihre Mitarbeiter sind gerade auf Lampedusa und Sizilien tätig. Während des Workshops standen sich die Schüler in einem Rollenspiel als Grenzer und Flüchtlinge gegenüber. Anschließend diskutierten sie mit den Aktivisten der Organisation über die EU-Flüchtlingspolitik. „Es war echt interessant, die Meinungen von anderen in unserem Alter zu hören“, berichtet die Schülerin Carlotta Bahls danach.

Die Lehrerin Annette Seeboth besuchte mit vier Klassen der Fichtenberg-Oberschule in Steglitz den Kongress – und zeigte dich beeindruckt. „Viele Schüler sind tolerant. Es ist nur schwer, an Infos zu kommen, mit denen man ihnen die Probleme klarmachen kann.“ Doch das sei extrem wichtig, so Seeboth, denn: „Unter ihnen sind die Politiker von morgen.“ Luca Schulte-Günne