Survival of the Smartest?

STADTENTWICKLUNG Das Symposium „Beware of Smart People“ im Rahmen des Make-City-Festivals wollte am Wochenende klären, was es mit der „Smart City“ und ihren möglichen Demokratieproblemen auf sich hat

Die elektronische, teils schon smarte Stadt Hongkong mit Occupy Demonstranten  Foto: Foto: Marc Latzel

vonvon Antonia Herrscher

Alle Gebäude von Songdo verfügen über eine automatische Klimakontrolle, der Zugang zu den hoch technologisierten Hochhäusern wird computergesteuert, im Asphalt der Straßen und den Versorgungsleitungen für Wasser und Energie befinden sich Sensoren, die permanent Daten liefern, um auf Bewegungen der Menschen und veränderte Umweltbedingungen zu reagieren. Songdo ist eine „Smart City“. Nach einem Masterplan gebaut, 40 Kilometer entfernt von Seoul, der Hauptstadt Südkoreas.

Es ist das Bild der zukünftigen Stadt: Durch modernste Technologien gesteuert, bringen Autos ihre Insassen zur U-Bahn und fahren anschließend allein nach Hause, Drohnen schweben elegant zwischen Wolkenkratzern umher, sammeln Daten oder sind in Sekundenschnelle bei einem Verkehrsunfall, um lebenserhaltende Maßnahmen einzuleiten. Die BewohnerInnen der Stadt verfügen über entsprechende Technologien und melden der Stadtverwaltung zum Beispiel kaputte Ampelanlagen.

Technik, BewohnerInnen und die gesamte Infrastruktur werden Teil des sogenannten Internets der Dinge – einer Kernidee der „Smart City“, wie Johanna Schlaack vom Center for Metropolitan Studies der TU Berlin unter anderem in einer kurzen Einführung beim Symposium „Beware of Smart People“ im Rahmen des Make-­City-Festivals am Freitag und Samstag an der TU-Berlin erläuterte. Es widmete sich einer laufenden Debatte, die mit einem Begriff hantiert, der den meisten ­Menschen vollkommen schleierhaft ist.

100 Smart Cities in Indien

„Smart Cities“ versprechen technische Lösungen für die Probleme unserer Zeit – Klimawandel, Ressourcenknappheit, Bevölkerungswachstum. Die indische Regierung plant derzeit 100 ­solcher Städte. Aber auch europäische Metropolen haben sich das Konzept der „Smart Cityness“ auf die Agenda geschrieben. Der Berliner Senat hat erst im April eine „Smart-­City-Strategie“ beschlossen.

Geht es nach Adam Greenfield, der am Vorabend den Einführunsvortrag hielt (und Verfasser des Buchs „Against the Smart City“, 2013, ist), wurde dieser Begriff von Technologiekonzernen wie Cisco oder IBM in den Stadtentwicklungsdiskurs eingeführt. Mit dem Ziel, sich durch Verträge mit den Stadtregierungen neue Profite zu sichern. IBM hatte sich zuletzt den Begriff „Smarter Cities“ sogar schützen lassen.

Werden die Menschen in diesen Städten zu gleichgeschalteten unbezahlten Datenassistenten in einem optimierten Panoptikum? Verabschiedet man sich damit nicht endgültig vom Leitbild der Stadt als demokratischer Ort der Vielfalt?

Bei der Planung von „Smart Cities“ werden Menschen völlig ausgeblendet, so der Turiner Politikwissenschaftler Alberto Vanolo. Sie würden keinesfalls automatisch durch smarte Technologien zu Teilhabe ermächtigt, sondern zu lebenslangem Lernen gezwungen. Das Smartphone wird so zum ultimativen Symbol der „Smart City“. „Die Konstruktion eines ‚universalen Wir‘ hat ein politisch gefährliches Stigma der ‚Nichtsmarten‘ zur Folge“, betonte Vanolo. All diesen Ideen fehle der emanzipatorische Aspekt.

Das sogenannte Internet der Dinge ist Kernidee der „Smart City“

Auch die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin Saskia Sassen, die in den USA Empowermentprojekte mit Bürgern anleitet, warnte davor, allzu komplexe Systeme in Städte einzupflanzen. Was dabei heraus komme, sei rigide. Eine Stadt, so Sassen, habe ein „Stimme“ und diese drohe zu verflachen. Gerade auf der lokalen Ebene gelte es, auf die Kenntnisse der verschiedenen Akteure zu setzen, Nachbarschaften zu mobilisieren.

Zuletzt zeigte sich der indische Aktivist und Jurist Gautam Bhan vom Indian Institute of Human Settlements in Bangalore erheitert über die große Technikbegeisterung seiner europäischen KollegInnen. Für ihn sei dies nur eine Phase. Die Sprache des Spiels müsse man verstehen – jedoch würden ebenjene Menschen, die bei diesen Konzepten vergessen werden, diese Technik auch zum Scheitern bringen. Auf einer indischen Baustelle, so erzählte er noch, wurde unlängst der Fingerscan eingeführt – allerdings waren die Finger der meisten Arbeiter so geschunden, dass sie für die Geräte schlicht und einfach nicht lesbar waren.

Komplexe Systeme sind statisch und reagieren keinesfalls flexibel auf neue Lebensbedingungen. Der kanadisch-britische Autor Doug Saunders zeichnete schon 2010 in seinem Buch „Arrival City“ nach: Zuwanderung ist der Schlüssel zum Reichtum der Städte. Und die Chancen für Kreativität liegen gerade im Informellen. Angesichts von weltweit 60 Millionen Flüchtlingen, die neben anderen Migranten bis auf Weiteres in die großen Städte strömen werden, wundert es, dass sich der Frage, welche Antworten „Smart Cities“ darauf haben und wie eine gesellschaftlich Teilhabe gestaltet werden könnte, nicht eingehender gewidmet wurde. Vielleicht, weil man politische Fragen nicht technisch diskutieren kann.

In Songdo sind übrigens bis heute nur knapp 20 Prozent der Wohn- und Gewerbeflächen vermietet. Die Stadt ist vielleicht Klassenbeste, aber nicht besonders begehrt.