Demokrat von unten

DIE INI (XVII) Gegen eine Biogasanlage im Trinkwasserschutzgebiet die Initiative Nest

Die Norddeutschen engagieren sich in Bürgerinitiativen gegen Verkehrsprojekte, für Tiere oder gegen Datenmissbrauch – mal laut und knallig, mal leise und beharrlich. Diese Serie stellt in loser Folge die Menschen hinter den Initiativen vor.

Letztlich habe er nichts davon, nur Schlafmangel und strapazierte Nerven. „Wir kämpfen nicht für uns“, sagt Dieter Höper, „sondern für kommende Generationen.“ Deswegen schreibt er E-Mails, kommuniziert mit Politikern, Lobbyisten, dem Bundesumweltministerium, Pressestellen; organisiert Demonstrationen, die er als „fantastische Sache“ bezeichnet. „Wir realisieren den Grundgedanken der Demokratie, denn sie ist nur stark, wenn auch der Volkssouverän stark ist.“

Im Gespräch mit Dieter Höper, wohnhaft in Sittensen zwischen Hamburg und Bremen, stellt man schnell fest, dass er politisch versiert ist. Kein Wunder: Der 68-Jährige war Politiklehrer. Das bleibe man sein Leben lang, sagt er. Nun ist er Rentner, spielt in seiner Freizeit Fußball – doch von Politik kann er die Finger nicht lassen.

Höper ist eines von sechs Mitgliedern der Bürgerinitiative Netzwerk Sauberes Trinkwasser Sittensen (Nest), die gegen eine geplante Biogasanlage im Trinkwasserschutzgebiet in Groß Meckelsen vorgeht. „Wir sind klein, aber schlagkräftig“, sagt er

In Niedersachsen wächst das Geschäft mit Biogas stetig und floriert: Landwirte bauen intensiv Mais an, für die Gasanlagen und als Tierfutter. Initiativen und Politiker der Region beklagen inzwischen eine „Vermaisung“ der Landschaft. Denn: Das Düngemittel für den Mais ist nitrathaltig, gelangt in den Boden und gefährdet die Artenvielfalt. „Wir haben landesweit schon eine zwei- bis vierfach überhöhte Nitrateintragung“, sagt Höper.

Die Biogasanlage im Landkreis Rotenburg, gegen die Nest vorgeht, will die Biomethan Sittensen GmbH errichten; 58 Kommanditisten aus der Bauernschaft haben sich dazu bereit erklärt, die Anlage zukünftig mit Mais zu beliefern. „Da kann man sich vorstellen, was alles angefahren werden muss“, sagt Höper. Er meint Großfahrzeuge, beladen mit bis zu 40 Tonnen Mais, die im „Minutentakt“ die Anlage beliefern würden. Hinzu kommt, dass die Anlage in einem Trinkwasserschutzgebiet gebaut werden soll; in der Nähe ist ein Wasserwerk, aus dem rund 26.000 Menschen der Region ihr Trinkwasser beziehen.

Die Profitgier der Landwirte sei schuld an diesem Debakel, sagt Höper; sie hätten das Eurozeichen zu sehr vor den Augen, der wirtschaftliche Gewinn sei ihre Triebfeder. „Wenn man denen sagt, denkt doch mal an unsere Nachkommen oder die Biodiversität, sagen sie nur, dass der Mais das Beste für sie sei“, sagt Höper. Daher sei es schwer, die Bauern davon zu überzeugen, „dass sie den Ast absägen, auf dem sie sitzen und die Umwelt zerstören“.

Teil des Problems sei überdies die Verwaltung, meint Dieter Höper; in diesem Fall die untere Wasserbehörde der Kreisverwaltung in Rotenburg. Diese kam zu dem Ergebnis, dass in dem Trinkwasserschutzgebiet prinzipiell gebaut werden dürfe. Im November letzten Jahres entschied jedoch der Rotenburger Kreistag, keine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, damit die Anlage in einem Schutzgebiet gebaut werden darf.

Ein Erfolg, findet Höper. Die kommunale Politik habe ihre Handlungskompetenz bewiesen. Das sei auch seiner Initiative zu verdanken. Denn sie pflege stets den Kontakt zu allen Parteien in der Region – „sogar zur CDU“ –, erzählt Höper, informiere sie und mache ihnen bewusst: „Wenn dieses Projekt genehmigt wird, dann wissen wir, in was für einer Republik wir leben.“ Mit Stolz in der Stimme sagt Höper: „Wir sind die Demokratie von unten.“ Leider sei das Volk mürbe geworden, gesättigt, viele sagten: Mir geht es doch gut, warum soll ich aufbegehren? „Aber wenn man die Leute direkt auf ein solches Thema anspricht, rennt man offene Türen ein.“  AMA