Wall Street Journal: Murdoch kauft sich Renommierblatt

Der umstrittene Medienunternehmer Rupert Murdoch übernimmt für gut fünf Milliarden Dollar den Dow-Jones-Konzern - und mit ihm die zweitgrößte Tageszeitung der USA, das "Wall Street Journal"

Ich kauf mir was: Rupert Murdoch Bild: ap

BERLIN taz Sechs Seiten lang war die E-Mail, die Crawford Hill an seine Verwandten schrieb. Er ist Mitglied der Bancroft-Familie, die fast zwei Drittel der Stimmrechte am Verlagshaus Dow Jones hält. "Ich bitte Euch, auf die Zahlen zu schauen", schrieb Hill. "Sie sagen deutlich: Verkaufe an Murdoch!"

Nach drei Monate währendem Ringen ist es nun so gekommen, wie er vorschlug: Der Medienzar Rupert Murdoch, 76, übernimmt mit seinem NewsCorp-Konzern den New Yorker Verlag, zu dem etwa das renommierte Wall Street Journal - die zweitgrößte Tageszeitung der USA - gehört, die Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires und die Wochenzeitung Barrons.

Die Hauptanteilseigner - die Bancroft-Familie - stimmten seinem Angebot am Dienstagabend mehrheitlich zu. Im Mai hatten sie sich noch geweigert, mit Murdoch überhaupt zu verhandeln. Dass auch die meisten freien Aktionäre, die 29 Prozent der Stimmrechte halten, zustimmen werden, ist zu erwarten.

Murdoch hatte mehr als 5 Milliarden US-Dollar (etwa 3,7 Milliarden Euro) für den Verlag geboten. Die Summe entspricht etwa 60 US-Dollar pro Aktie; als Murdoch das Angebot vorlegte, bedeutete das einen deutlichen Aufschlag auf den Aktienkurs. Und so spricht Crawford Hills E-Mail für sich: Am Ende war die Offerte wohl einfach zu gut.

Einigkeit herrschte in der zerrissenen Bancroft-Familie jedoch bis zum Schluss nicht: Hills Schwester Leslie, die im Dow-Jones-Führungsgremium saß und dort gegen den Deal opponiert hatte, trat noch am späten Dienstag als Direktoriumsmitglied zurück. Das finanziell gute Geschäft, schrieb sie, wiege den "Verlust einer unabhängigen globalen News-Institution mit unübertroffener Glaubwürdigkeit und Integrität" für sie nicht auf.

Sie hatte den Vorschlag des MySpace-Gründers Brad Greenspan favorisiert, der den Murdoch-kritischen Bancroft-Mitgliedern 400 bis 600 Millionen US-Dollar leihen wollte, um die Anteile ihrer Verwandten zu erwerben. Seit Murdoch 2005 MySpace kaufte, tritt Greenspan als dessen Kritiker auf - und als Verteidiger der Meinungsfreiheit. Denn Murdoch steht für Medienkonzentration und ist dafür bekannt, auch inhaltlich Einfluss auf die Redaktionen zu nehmen.

Das wird nun auch bei Dow Jones befürchtet. Das vom Verkauf betroffene Wall Street Journal, das sich in der Berichterstattung über den Fall um Objektivität bemühte, zitierte gestern Kritiker, die den Dienstag einen "schwarzen Tag für den Journalismus" nannten.

Der deutsche Verleger Dieter von Holtzbrinck, der im Verwaltungsrat von Dow Jones saß, war schon im Juli aus Protest gegen die sich abzeichnende Einigung mit Murdoch zurückgetreten. Er schrieb damals, er sorge sich um die journalistische Unabhängigkeit des Wall Street Journal, und verwies auf die Praktiken von NewsCorp in der Vergangenheit. Der konservative Murdoch hatte etwa schon die New York Post von einem linksliberalen zu einem rechtslastigen Kampagnenblatt gemacht.

Die Redaktion des Wall Street Journal selbst schrieb gestern in einem Brief an die Leser, die Standards von Genauigkeit und Fairness würden in Zukunft eingehalten. Zeilen, aus denen mehr Hoffnung als Gewissheit zu sprechen scheint - denn zuvor hatte die Redaktion gegen die Übernahme protestiert. KLAUS RAAB

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.