Fernsehprogramm für Senioren: "Die Alten gibt es nicht"

Ältere Menschen sehen mehr fern. Aber deshalb schauen lange nicht alle den Musikantenstadl, sagt Peter Zeman. Der Soziologe über die Sehgewohnheiten im Alter.

TV-Alptraum auch für viele Ältere: Das "Frühlingsfest der Volksmusik". Bild: ap

taz: Herr Zeman, viele alte Menschen hocken vor dem Fernseher und lassen sich berieseln - stimmt dieses Vorurteil?

Peter Zeman: Nur zum Teil. Es trifft insofern zu, da ältere Menschen sehr viel fernsehen, verglichen mit anderen Altersgruppen; der TV-Konsum nimmt mit dem Alter zu. Allerdings sitzen alte Menschen nicht nur stupide vor dem Fernseher. Diese Einschätzung wäre ungerecht, weil die Nutzung des Fernsehens auch bei Älteren sehr unterschiedlich ist. Viele nutzen das Fernsehen als Fenster zur Welt und nehmen sehr interessiert und bildungshungrig die Sachen auf, die dort kommen. Die Rezeption ist etwas Aktives, kein passives Berieseln-Lassen.

Es liegt vermutlich an den Lebensumständen älterer Menschen, dass der TV-Konsum zunimmt?

Es ist eine Mischung aus Gründen. Ältere Menschen haben mehr Zeit, der TV-Konsum nimmt mit dem Ruhestand zu. Das heißt nicht zwangsläufig, dass das Fernsehen überproportional zunimmt, aber Menschen, für die Fernsehen schon früher wichtig war, für die nimmt eben der TV-Konsum dann auch zu. Das gilt auch für andere Interessen. Mit dem höheren Alter verändert sich das noch einmal, es kommt hinzu, dass sich das Leben sehr stark in der eigenen Wohnung abspielt und sich die sozialen Kontakte reduzieren, dann gewinnt natürlich das Fernsehen erneut an Bedeutung.

So gesehen ist es doch kein Wunder, dass das Durchschnittsalter der Zuschauer vieler Fernsehsender so hoch ist? Vor allem, da es durch den demografischen Wandel einfach viele ältere Menschen gibt.

Natürlich. Mehr ältere Menschen bedeuten auch mehr ältere Fernsehzuschauer. Und es stimmt sicher, dass Ältere mehr fernsehen als andere Altersgruppen, deshalb wächst diese Zuschauergruppe - ganz unabhängig vom Programmangebot.

Was schauen sie bevorzugt?

Gerne wird behauptet, ältere Menschen hätten ein besonderes Interesse an Volksmusik, Quizsendungen, Shows und Heimatfilmen. Das kann in absoluten Zuschauerquoten gerechnet schon zutreffen, aber damit wird man den Älteren überhaupt nicht gerecht. Sie sind Fernsehnutzer wie alle anderen auch und haben ein ganz breites Spektrum von Interessen. Sie wollen ja auch noch teilhaben an den gesellschaftlichen Entwicklungen, sie wollen mitdenken und auch mitreden können. Viele haben ein hohes Interesse an kulturellen und historischen Sendungen.

Man darf also alte Menschen nicht als eine einzige Zielgruppe betrachten?

Das ist die fundamentale Erkenntnis der modernen Altersforschung: Das Alter ist enorm vielfältig. Die Lebensläufe der Menschen sind unterschiedlich, und im Alter zeigt sich das wie unter einem Vergrößerungsglas. "Die Alten" gibt es nicht.

Das heißt über die Kürzung der Volksmusik werden sich viele Senioren gar nicht ärgern?

Es wird einen hohen Prozentsatz geben, die sagen, "Gott sei Dank, jetzt wird nicht mehr die beste Sendezeit verpulvert". Andererseits hat man ja auch die Möglichkeit, umzuschalten, und gerade die anspruchsvolleren Konsumenten suchen sich im TV-Programm schon vorher aus, was sie anschauen wollen.

Das kennt man: Die Oma, die Kreuzchen im Programmheft macht.

Gerade weil Fernsehen eine so wichtige Beschäftigung für sie ist, bereiten sich Ältere vor und überlegen genau, was sie sich anschauen wollen - und was nicht. Zum Beispiel möchten viele am späten Abend nichts Aufwühlendes mehr sehen, weil sie ohnehin schlecht schlafen können.

Braucht man einen TV-Sender für Ältere, wie ihn Max Schautzer mit "Bono TV" plant?

Ich bin nicht gerade Feuer und Flamme. Man wird sehen, ob das funktioniert. Es wird sicher alte Zuschauer geben, die sich dort gut aufgehoben fühlen, andere wiederum wird das überhaupt nicht interessieren. Ich empfinde vor allem die öffentlich-rechtlichen Programme absolut nicht als altersdiskriminierend - im Gegenteil. Das ganze Spektrum von Altersfragen taucht im Programm auf, auch die Probleme des Alters werden in verschiedenen Sendungen und Dokumentationen thematisiert. Aus der gesellschaftlichen Perspektive fände ich es sinnvoller, wenn man verstärkt die Interessen unterschiedlicher Alters- und Gesellschaftsgruppen ins Gesamtprogramm integriert.

INTERVIEW: JUTTA HEESS

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