Amman im Schock

AUS AMMAN KARIM EL-GAWHARY

Die schwarz-weiß-grünen jordanischen Fahnen mit dem roten Dreieck und dem weißen Stern stehen allerorten auf halbmast. Überall in Amman finden sich kleinere Gruppen, die in Autokorsos oder zu Fuß sich zusammengefunden haben, um irgendetwas zu unternehmen. Die meisten haben Flaggen mitgebracht, andere haben Schilder gemalt. „Lang lebe der König, wir sind mit unser ganzen Seele Jordanier“, haben sie dort draufgepinselt oder „Jordanien den Jordaniern und Tod für al-Sarkawi und die kriminelle al-Qaida“. Manche deuten Siegeszeichen aus den Autofenstern an. Überall in der Stadt dröhnen die Hupkonzerte der Autos. Die jordanische Hauptstadt befindet sich im Schock, und die erste Verarbeitung der blutigen vergangenen Nacht wirkt etwas unbeholfen. Wie soll man sich auch zu helfen wissen nach den drei Anschlägen auf Hotels in der Nacht zum Donnerstag. Dabei starben nach letzten Meldungen mindestens 56 Menschen.

Nicht der 11. 9. wie in den USA, sondern der 9. 11. wird in die jordanische Geschichte eingehen. Lange hatten die Jordanier ängstlich darauf gewartet, mit in den blutigen Terrorkreislauf im Nahen Osten gezogen zu werden: Nun ist es geschehen.

Nach Angaben der Regierung ist es wahrscheinlich, dass bei den Selbstmordattentaten noch mehr Menschen starben. Unter den Toten befinden sich 15 Jordanier, fünf Iraker, ein Saudi, ein Palästinenser, drei Chinesen, ein Indonesier und 30 weitere nicht identifizierte Opfer. Vier Deutsche wurden verletzt.

Inzwischen gibt es auch ein Bekennerschreiben im Internet, angeblich vom Frontmann al-Qaidas im Irak, dem Jordanier Abu Mussab al-Sarkawi. Darin erklärt dieser sich für die Anschläge verantwortlich und verkündet weitere Attacken in Jordanien, einem Land, so heißt es weiter, „das als Schutzmauer für Israel und die US-Truppen im Irak dient“. Sein mutmaßlicher Sprecher Abu Maissara al-Iraqi ließ verlauten, dass die Hotels in Amman ausgesucht wurden, „weil der jordanische Diktator sein Land in einen Hinterhof für die Feinde unserer Religion, die Juden und die Kreuzfahrer verwandelt hat“. Unter weiter heißt es dort: „Lass den Diktator in Jordanien wissen, dass der Schutzwall für Juden, der östlich des Jordan gebaut wurde, und die militärischen Rückzugsbasen der Kreuzfahrerarmeen nun unter Mudschaheddin-Feuer stehen.“

Anders als im benachbarten Irak oder auch in Ägypten waren die Hotels in Jordanien bisher relativ wenig geschützt. An den Eingängen gab es keine Metalldetektoren. Das hat sich nun über Nacht geändert. Die Einfahrten aller größeren Hotels wurden für Fahrzeuge gesperrt, Metalldetektoren wurden dort aufgebaut und jedes Gepäckstück wird untersucht. An den Pforten hat sich die Armee mit Maschinenpistolen und Stahlhelmen postiert.

Zuvor hatten sich die jordanischen Sicherheitskräfte eher auf den relativ effektiv arbeitenden Geheimdienstapparat verlassen, der die jordanische Gesellschaft fest im Griff hat. Auf diese Weise wurden auch bereits mehrere Terrorkomplotte im Vorfeld aufgedeckt. Erst im Juli wurden in Jordanien fünf Männer verhaftet, die Anschläge auf Geheimdienstagenten, Touristen und Hotels in Amman geplant haben sollen. Doch diesmal sind die Täter offensichtlich durch die engen Maschen des jordanischen Geheimdienstes geschlüpft.

Der stellvertretende Ministerpräsident Marwan Muascher deutete bereits kurz nach den Anschlägen mit seinen Fingern auf al-Qaida. Deren angebliche Nummer eins im Irak, der Jordanier al-Sarkawi, bezeichnete er als den „Hauptverdächtigen“. Im April hatte al-Sarkawi in einer Ansprache eine eskalierende Konfrontation mit der jordanischen Regierung angekündigt. „Das nächste Kapitel wird brutal und bitter“, drohte er. Al-Sarkawi ist in seinem Heimatland in Abwesenheit zum Tode verurteilt.