"Erste Nagelprobe" für Koch-Regierung: Linke Mehrheit erstmals einig

Mathematische linke Mehrheit im Hessischen Landtag stimmt für Abschiebestopp nach Afghanistan. CDU-Innenminister Bouffier ist anderer Meinung - kann gezwungen werden.

"Und Bouffier hat gleich voll daneben gehauen!" Willi van Ooyen, Vorsitzender der Linke-Fraktion, rechts Ministerpräsident Roland Koch, links Innenminister Volker Bouffier, beide CDU. Bild: dpa

WIESBADEN taz Die mathematische linke Mehrheit im Hessischen Landtag demonstrierte am späten Mittwochabend erstmals Geschlossenheit. Mit den Stimmen der Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken und gegen die Voten von CDU und FDP verabschiedete die Volksvertretung einen Antrag der Fraktion Die Linke. Darin wird die geschäftsführende Regierung Roland Koch (CDU) aufgefordert, aus humanitären Gründen per Erlass einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan zu verhängen.

Doch der geschäftsführende hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) denkt gar nicht daran, diesem Parlamentsbeschluss Folge zu leisten. Dabei ist für Juristen die Sache klar: Lenkt Bouffier nicht ein, kann ihn die mathematische Mehrheit der linken Parteien in einer zweiten Abstimmung zum Abschiebestopp zwingen.

In einer ersten Stellungnahme vor dem Landtag begründete Bouffier seine ablehnende Haltung mit dem Verweis auf eine Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) vom 7. Februar 2008. Die Richter am VGH hatten verfügt, dass ein "junger und arbeitsfähiger Afghane" in seine Heimat abgeschoben werden könne, weil es "nicht überwiegend wahrscheinlich oder sogar sicher ist, dass der Betroffene dort sein Leben verliert". Diese Entscheidung des VGH dürfe und könne er nicht missachten, begründete Bouffier seine Missachtung des Parlamentsbeschlusses.

Dass der VGH bei der Verkündung dieser Einzelfallentscheidung allerdings auch darauf hinwies, dass die "oberste Landesbehörde" durchaus die Möglichkeit habe, einen generellen Abschiebestopp zu erlassen, auf den sich die Verwaltungsgerichte dann auch berufen könnten, verschwieg Bouffier geflissentlich. Die Grünen warfen Bouffier denn auch am Donnerstag in einem offenen Brief vor, "Halbwahrheiten verbreitet" zu haben. Zudem mangele es dem geschäftsführenden Innenminister ganz offenbar am nötigen Respekt vor dem Landtag und seinen Beschlüssen.

Diesen "Respekt vor den Entscheidungen des Parlaments" hatte Roland Koch im Namen der geschäftsführenden Landesregierung kurz zuvor noch beschworen. Die Halbwertszeit dieser Einlassung in seiner Regierungserklärung betrug dann aber gerade einmal neun Stunden. Entsprechend "empört" reagierten die erfolgreichen Antragsteller von der Linken, die Sozialdemokraten und Grünen nachdrücklich für ihre "Solidarität mit den Flüchtlingen" lobten und sich artig für die Zustimmung zu ihrem ersten Antrag überhaupt bedankten. "Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen ist es wieder wie im Wahlkampf", stellte Fraktionschef Willi van Ooyen fest. Die CDU pflege weiter ihr Feindbild: die Linke. Bouffiers Weigerung, den geforderten Abschiebestopp für afghanische Flüchtlinge zu erlassen, sei allerdings ein "Affront gegen den gesamten Landtag". Die Sache sei die "erste Nagelprobe" für die geschäftsführende Regierung Koch gewesen, so van Ooyen zur taz: "Und Bouffier hat gleich voll daneben gehauen!"

Die Konfrontation sucht die Linke dennoch nicht gleich. Man wolle zunächst mit SPD und Grünen die Vorgehensweise beraten und mit Bouffier sprechen. Mit Blick auf die Lage in Afghanistan sei ein Abschiebestopp das Gebot der Stunde, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Marjana Schott. Die Grünen erwarten von Bouffier die "Vollzugsmeldung" der Umsetzung des Landtagsbeschlusses auf der nächsten Sitzung des Innenausschusses Ende April.

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