Bischofskonferenz in Hamburg: Im Herrenclub des Herrn

Offizielles Thema auf der Bischofskonferenz ist die Weltwirtschaftskrise, doch nebenbei geht es um die Williamson-Affäre und den Umgang der Kirche mit Kritik.

Die Frühjahrskonferenz der katholischen Bischöfe in Hamburg tagt noch bis Donnerstag. Bild: dpa

HAMBURG taz So entspannt, so offen kann es zugehen, wenn Geistliche sich treffen, um über Religion zu reden. Oder über Politik, was in diesen Tagen schwer zu trennen ist. In der Aula einer ehemaligen jüdischen Realschule hinter dem Campus der Uni Hamburg ist gerade Kaffeepause eines Gesprächs von Rabbinern und Bischöfen, Frauen sind kaum dabei. Die Stimmung ist so locker, dass der liberale Rabbiner Walter Rothschild aus Berlin nebenher ein Gedichtchen geschrieben hat, das die Debatte zusammenfasst - aber er trägt es mit seinem englischen Akzent so schnell vor, dass es nicht zu verstehen ist. Der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff ist froh, dass nach den "Turbulenzen" der jüngsten Zeit überhaupt alle Rabbiner gekommen sind. Der evangelische Landesbischof Christoph Kähler aus Thüringen lobt das lebendige jüdische Ambiente, in dem das Treffen erstmals stattfand. Es habe die "Fähigkeit, miteinander zu sprechen, noch verstärkt", sagt der orthodoxe Rabbiner Julian-Chaim Soussan aus Düsseldorf. "Das hat uns gutgetan."

In Deutschland leben, aufgeteilt in 27 Bistümer, etwa 25,4 Millionen katholische Christen. Geleitet wird die hiesige Kirche von derzeit 69 (Weih-)Bischöfen, die sich zweimal im Jahr zu Vollversammlungen treffen - im Frühling und im Herbst. Wichtige Themen sind stets der Priestermangel (für über 12.200 Pfarreien gibt es nur etwa 10.700 Pfarrer) und die Kirchenaustritte (2007 waren es über 93.600). In Hamburg steht derzeit die Wirtschaftskrise im Vordergrund. Und der Streit um die Pius-Priesterbruderschaft.

Das Ganze wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn nicht gerade das Gegenteil guter Stimmung zwischen Christen und Juden zu erwarten wäre. Das liegt vor allem an der Teilrehabilitation von vier exkommunizierten "Bischöfen" der in weiten Teilen judenfeindlichen traditionalistischen Pius-Priesterbruderschaft durch den Papst vor gut einem Monat - darunter war auch der Holocaust-Leugner Richard Williamson. Ein Aufschrei der Empörung ging durch die jüdische, aber auch die katholische Welt. Diese Erregung war vor allem im deutschen Katholizismus besonders stark. Deshalb findet das bis Donnerstag dauernde Frühjahrstreffen der Deutschen Bischofskonferenz große mediale Aufmerksamkeit. Rund 20 Kamerateams beobachten das Bischofsmeeting in einem Hamburger Edelhotel, ein paar Hundert Meter von der jüdischen Schule entfernt. Hier aber ist die Anspannung noch lange nicht verflogen. Offenheit sieht ganz anders aus.

Das wird schon deutlich bei der im Stehen abgehaltenen Eröffnungspressekonferenz des Vorsitzenden der Bischofskonferenz (DBK), Robert Zollitsch, in der Lobby des Hotels. Der Freiburger Erzbischof ist ein ziemlich liberaler, freundlicher Mann mit leicht brüchiger Stimme, die von den dicken Teppichen und dem Plätschern eines künstlichen Wasserfalls im Hintergrund oft verschluckt wird. Er verurteilt zum wahrscheinlich 153. Mal den Antisemitismus unter den Pius-Brüdern und betont: Der Vatikan werde wohl die Exkommunikation der vier Pius-"Bischöfe" wieder aufleben lassen müssen, "wenn nicht ein kleines Wunder passiert". Schließlich verweigern sie nach wie vor die volle Anerkennung des reformorientierten Zweiten Vatikanischen Konzils vor gut 40 Jahren. Kommende Woche will Zollitsch mit dem Papst in Rom die Sache besprechen. Dann verweist er zu diesem Thema auf die Abschlusspressekonferenz am Donnerstag. Bis dahin werde man intern alles bereden - doch wann diese Aussprache zur Pius-Affäre stattfinden soll, bleibt gezielt unklar. Über eine Krise redet niemand gern öffentlich und offen.

Nötig wäre eine Aussprache in jedem Fall. Aber im Herrenklub Bischofskonferenz, der fast 70 Männer reifen Alters angehören, bespricht man das meiste lieber hinter vorgehaltener Hand. Jeder deutsche Bischof betont vor und hinter der Kamera seit Wochen, dass die deutsche katholische Kirche selbstverständlich hinter dem Konzil stehe und dass man dies auch von den Pius-Brüdern erwarte. Wie man nun aber mit diesen Ultrareaktionären verfahren soll, wie und wann der Papst aktiv werden sollte - diese Frage teilt die Oberhirten. Ein Bischof meint, über den Herrn Williamson sei "eigentlich schon zu viel geredet worden". Wann allerdings Rom nun von den Pius-Brüdern ein klares Bekenntnis zum Konzil verlangt, ist unklar. "Ich weiß nicht, ob die Fristen gesetzt haben, die Römer", sagt jener Bischof, "das ist die Unbekannte."

So schwelt die Krise weiter, die bereits zu vielen Kirchenaustritten geführt hat. Und wie häufig, wenn ein großes Problem kaum zu lösen ist, verzetteln sich auch die Bischöfe lieber in Scharmützeln auf meist absurden Nebenkriegsschauplätzen.

Walter Mixa etwa. Der Augsburger Bischof, berühmt-berüchtigt wegen seiner Angriffe auf Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und ihre Kinderbetreuungs-Offensive, nutzte die den Holocaust leugnenden Sprüche Williamsons für die Bemerkung, es habe ja in den vergangenen Jahrzehnten hierzulande angeblich auch neun Millionen Abtreibungen gegeben. Diese bodenlose Dampfplauderei brachte ihm einen öffentlichen Rüffel des obersten Bischofs Zollitsch ein, der unterstrich: "Der Holocaust ist etwas Furchtbares. Und es gibt gar keine Möglichkeit, den Holocaust einfach mit anderen Elementen zu vergleichen."

Ähnlich plump agierte der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller. Er nutzte die Williamson-Krise dafür, in seiner Diözese dreckige Wäsche zu waschen - und sich beim Papst als 150-Prozentiger zu profilieren. Von Heinz-Günther Schöttler, Burkard Porzelt und Sabine Demel, drei katholischen Theologen der Regensburger Uni, verlangte er das Ablegen eines Treueeids vor ihm und eine schriftliche Entschuldigung beim Papst. Sie hätten dem Pontifex Maximus mit ihrer Unterschrift unter die Petition "Vaticanum II" unterstellt, er habe durch die Teilrehabilitation der Pius-Brüder der Kirche geschadet. Müllers bayerische Kollegen sprangen ihm in diesem Konflikt mehr oder weniger bei. Auf der Hamburger Tagung aber sollte das Ganze kein Thema sein. Zollitsch sagte, das sei "nicht Sache der Bischofskonferenz".

Auch Müller will die Sache wohl eher bistumsintern regeln, niemand soll ihm reinreden. Das wird deutlich, als die Oberhirten sich im "Spiegelsaal 85" unter einer tiefen Decke erstmals treffen. Sie begrüßen sich kumpelhaft mit Sprüchen wie "Da bist du wieder", "Robert, sei gegrüßt" und "Seid ihr gut angekommen?". Mixa wird von Fotografen so bedrängt, dass ihm der DBK-Pressesprecher unter Blitzlichtgewitter einen Weg zu seinem Stuhl bahnen muss. In diesem Gewusel sagt Bischof Müller über seinen Regensburger Streit, er brauche die Rückendeckung der Bischofskonferenz nicht. Er habe doch vor Ort die Autorität. Ende der Durchsage.

Niemand redet hier gern mit Journalisten. Die Bischöfe huschen möglichst schnell an ihnen vorbei zu ihren internen Sitzungen. Im Vorbeigehen geben sie sybillinische Antworten wie "Was sind für Sie heiße Themen?" oder "Wenn die sich nicht zum Konzil bekennen, ist der Käs gegessen".

Schließlich erbarmt sich doch ein Bischof, der ungenannt bleiben will. Er erzählt: Schon am ersten Abend der Konferenz habe man über die Pius-Krise kurz gesprochen, nach dem Bericht des Nuntius. Der Botschafter des Papstes in Deutschland sagte, der Kirche sei durch diese Affäre ein großer Schaden entstanden. Alle Bischöfe seien sich einig gewesen, dass man weiteren nun abhalten solle und der Papst nicht länger in der Schusslinie stehen dürfe. "Der Konflikt darf nicht länger schwelen." Die Pius-Brüder müssten nun das Konzil anerkennen - "so schnell wie möglich". Sonst blieben sie draußen. "Was sollen wir noch weiter darüber reden?"

So ist das in der Kirche: Man kann fast alles machen und über beinahe alles reden - nur nach draußen darfs nicht dringen. Es bedarf wohl der Autorität eines Kardinal Karl Lehmann aus Mainz, um sich ein bisschen über das öffentliche Schweigegebot und die Bekenntnisse der Einigkeit hinwegzusetzen.

Der langjährige Vorgänger Zollitschs verrät, dass die Bischöfe darum ringen, ob sie einen besänftigenden Brief an die Gemeinden schreiben sollen - das allein wäre ein außergewöhnliches Zeichen für die hierarchische katholische Kirche. Der Knackpunkt der Auseinandersetzung aber ginge darum, ob man in dem Brief die "unverantwortlichen Pannen" im Vatikan bei der Williamson-Affäre anspreche oder lieber auf "Schonung" setze. Wenn Letzteres herauskomme, meint Lehmann, "hat das für mich keinen Sinn". Noch ein kleiner Scherz und ein knarziges Lachen wie immer am Ende eines Gesprächs mit ihm - dann geht er, um nicht noch mehr auszuplaudern.

Die Einzigen, die in diesen Tagen ganz offen agieren und Tacheles reden, sind die Vertreterinnen und Vertreter der "Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche". Sie unterstützen die umstrittene Petition "Vaticanum II". In einem Gewerkschaftshaus, gut 200 Meter vom Tagungshotel der Bischöfe entfernt, machen sie Druck. "Wir sind nicht in einer Kirchenkrise, sondern in einer Kirchenführungskrise", schimpft etwa Rupert Neudeck. Der "Cap Anamur"-Gründer hat beim linken katholischen Theologen Johann Baptist Metz promoviert. Er schwärmt von der Aufbruchsstimmung des Konzils (1962 bis 1965), vergleichbar nur mit der heutigen Begeisterung über den neuen US-Präsidenten Barack Obama. In der Kirche herrschen für Neudeck derzeit dagegen "Empörung, Aufruhr, Wut und Zorn". Die Kirche müsse intern handeln: "Ist der Verantwortliche nun schon entlassen oder nicht?" Schon "in den nächsten Tagen" müssten sich die Pius-Brüder zum Konzil bekennen.

Ein paar Stunden später wollen die Aktivisten von "Wir sind Kirche" den Bischöfen die Petition offiziell übergeben - mittlerweile haben sie über 36.000 Männer und Frauen unterschrieben. Vor dem "Spiegelsaal 85" drücken die engagierten Katholiken dem Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, eine plakatgroße Kopie der Petition in die Hand - ein Bischof stand dafür nicht zur Verfügung. "Ich nehme gerne Ihre Anliegen an", sagt der Jesuit höflich. Aber nun wolle man, wie abgemacht, in einem "persönlichen Gespräch" weiter darüber reden. Was dabei herauskam, bleibt - natürlich - intern.

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