Verhärtung oder Verhandlung?

Bei den Wahlen in Sri Lanka steht der Fortgang des Friedensprozesses zwischen der Regierung in Colombo und den tamilischen Separatisten der LTTE auf dem Spiel

COLOMBO taz ■ Der Wahlkampf in Sri Lanka für die heutigen Präsidentschaftswahlen ist ungewohnt friedlich verlaufen. Doch Kandidaten und Sicherheitskräfte wollten nichts dem Zufall überlassen. Die Spitzenkandidaten Ranil Wickremesinghe und Premierminister Mahinda Rajapakse zeigten sich dem Volk nur hinter kugelsicheren Scheiben. Spürhunde aus Deutschland beschnüffelten Besucher von Veranstaltungen nach Sprengstoff. Polizisten mit und ohne Uniform waren allgegenwärtig.

Die bewaffnete tamilische Separatistenorganisation LTTE hält sich jedoch aus den Wahlen heraus – und beeinflusst vielleicht gerade dadurch das Ergebnis. Die Stimmen der 22 Prozent starken tamilischen Bevölkerung können wahlentscheidend sein. S. P. Tamilchelvan, der Chef des politischen Arms der LTTE, versicherte, seine Organisation würde niemanden daran hindern, sein Wahlrecht auszuüben – der LTTE sei es schlicht egal, wer in Colombo regiere. Doch LTTE-nahe Organisationen haben offen zum Boykott aufgerufen. Und in der LTTE-verwalteten Zone, wo 250.000 Wahlberechtigte leben, werden keine Urnen aufgestellt. Wer sich registriert hat, kann in Wahllokalen außerhalb seine Stimme abgeben.

Von zwölf Kandidaten haben nur zwei eine echte Chance: Mahinda Rajapakse von der United National Party (UNP) und Ranil Wickremasinghe von der Sri Lanka Freedom Party (SLFP). Beide gehören der singhalesisch-buddhistischen Bevölkerungsmehrheit an, beide waren schon einmal Premierminister, ohne sich für die Rechte der tamilischen Minderheit stark zu machen. Dabei waren es tamilische Stimmen, die Wickremesinghe bei den Parlamentswahlen 2001 an die Regierung brachten. Er handelte im Februar 2002 die Waffenruhe aus, die zwanzig Jahre Bürgerkrieg beendete, aber bis heute nicht zu einem definitiven Friedensabkommen geführt hat. Letztes Jahr wurde Wickremesinghe in vorgezogenen Parlamentswahlen abgewählt.

Unter dem derzeitigen Regierungschef Mahinda Rajapakse wurde kein Versuch unternommen, die unter Vermittlung Norwegens initiierten Verhandlungen wieder aufzunehmen. Rajapakse hat für seine Kandidatur die Unterstützung der radikalen Mönchspartei JHU und der marxistisch-nationalistischen JVP gesucht, einer extremistischen Partei, die schon zweimal, 1971 und 1987–89, blutige Aufstände angezettelt hat und das Konzept des Einheitsstaates unter Dominanz der buddhistischen Singhalesen vertritt. Geradezu hysterisch lehnen die singhalesischen Nationalisten eine Autonomielösung ab. Die aber ist für die LTTE Vorbedingung, um auf ihr ursprünglich weitergehendes Ziel einer tamilischen Eigenstaatlichkeit zu verzichten.

Gerade die Diskriminierung der Tamilen durch die verfassungsmäßige Festschreibung des Singhalesischen als einziger offizieller Sprache und des Buddhismus als Staatsreligion haben jene Unruhen ausgelöst, die 1983 in einem Pogrom gegen Tamilen in Colombo gipfelten und den tamilischen Norden zum Kriegsgebiet machten.

Schwester Rajes vom Orden des Guten Hirten, die im LTTE-kontrollierten Gebiet Tsunami-Hilfe koordiniert, erhofft vom Oppositionskandidaten Wickremesinghe, dass er den Frieden zustande bringt. Er wird zwar eher von Tamilen, Muslimen und Christen gewählt als sein Konkurrent, doch vermeidet er jeden Anschein, Sympathien für die Sache der LTTE zu hegen. Im Gegenteil: sein Vertrauter und ehemaliger Verhandlungsführer Milinda Moragoda rühmte sich in einem Interview, die UNP habe die LTTE durch die Friedensgespräche gespalten und damit effektiver bekämpft als die gegenwärtige Regierung. Während Rajapakse seine Verhandlungsposition mit dem Festhalten am Einheitsstaat zementiert hat, spricht Wickremesinghe aber von einer föderativen Lösung.

Repräsentative Umfragen oder Prognosen gibt es kaum. Ein Indikator für die Stimmung sind aber die Wettbüros: Die Buchmacher räumen dem Oppositionskandidaten Ranil Wickremesinghe größere Chancen ein.

RALF LEONHARD