Kommentar Iran: Die dritte Möglichkeit

Dass die Protestwelle im Iran sich wieder legen wird, ist unwahrscheinlich. Mussawi könnte zum Führer einer ernstzunehmenden Opposition werden.

Wohin die Entwicklungen im Iran führen, ist so wenig voraussagbar, wie der beklagte Wahlbetrug - zumindest von außen - beweisbar ist. Das gefährlichste Szenario wäre eine Eskalation der gegenwärtigen Proteste bis hin zum Bürgerkrieg. Das Gegenteil - nämlich dass die Protestwelle sich wieder legen wird und der Iran zur Tagesordnung übergeht - wird freilich mit jedem neuen Tag der Massendemonstrationen immer unwahrscheinlicher.

Schon deswegen, weil das System kaum klein beigeben und der Forderung nach Neuwahlen nachkommen wird. Auch die angekündigte Überprüfung einzelner Wahllokale wird sicher keine Lösung bringen: Im positivsten Fall dürften "kleinere Unregelmäßigkeiten" bemängelt werden, deren Korrektur das Gesamtergebnis aber nicht beeinflussen würde.

Bleibt eine dritte Möglichkeit: dass - entgegen allen Befürchtungen - das politische System des Iran wenigstens teilweise reformiert wird. Es gibt genug Anzeichen, dass das Wort von Mir Hossein Mussawi bei den enttäuschten Demonstranten gilt. So rief er seine Anhänger gestern dazu auf, Schwarz zu tragen, zum Zeichen der Trauer über die Toten. Und viele kamen in Schwarz. Wenn es Mussawi gelingt, den Protest gewaltlos zu halten, und wenn die Machthaber ihn gewähren lassen, dann könnte er zum Führer einer ernstzunehmenden Opposition werden, die es im Iran bisher nicht gegeben hat.

Die bisherigen "Reformer" waren ebenso machtlos wie die Opposition aus dem konservativen Lager, unter anderem, weil sie nicht wirklich organisiert waren und auch keine repräsentative Führung hatten. Wenn Mussawi nun das Amt eines Präsidenten vorenthalten bleiben sollte, so könnten die gegenwärtigen Ereignisse ihn doch in solch eine Rolle bringen. Ein erster und sicher bescheidener Schritt in die richtige Richtung. Und sicher die am wenigsten schlechte von mehreren schlechten Alternativen.

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