Brand im deutsch-türkischen Kulturzentrum: Spekulationen nach dem Feuer

In Elmshorn steht vom deutsch-türkischen Kulturzentrum nur noch eine rußige Ruine. Der Brandstifter habe sich über den Lärm aufgeregt, sagt die Polizei. Die Gäste vermuten Ausländerhass.

ELMSHORN taz | Vom deutsch-türkischen Kulturzentrum in Elmshorn ist nur noch eine verrußte Fassade zu sehen. Vor einer Polizeiabsperrung sitzen vier junge Männer im Schatten von Bäumen. Sie rauchen und diskutieren wild gestikulierend auf türkisch. Für sie ist der Fall klar: Der Brandanschlag auf das Zentrum war politisch motiviert. Die Polizei sieht das anders.

In der Nacht von Sonntag auf Montag hatte ein 41-jähriger Elmshorner in dem Kulturverein Feuer gelegt, als dort gerade rund zwanzig türkischstämmige Männer zusammensaßen. Der Mann kam mit einem Messer und einer Axt bewaffnet in das Lokal gestürmt, vergoss eine brennbare Flüssigkeit und zündete diese an. Die Gäste konnten sich durch den Hinterausgang retten.

"Es gibt keine Hinweise auf eine politische Motivation", beschwichtigt Sandra Mohr, die Sprecherin der Polizei, die Presse und die Anwohnerschaft.

"Der Brandstifter wird vernommen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird er heute noch dem Haftrichter vorgeführt", sagt Mohr. Wieso der Nachbar des Kulturvereins das Lokal in Brand steckte? "Der Festgenommene hat sich schon öfters über Lärm beschwert", sagt Mohr. "Er ist Anwohner. Gestern war er angetrunken.

Da ist die Situation eskaliert." Der Täter weise fremdenfeindliche Motive von sich. Es gebe auch keine entsprechenden Hinweise. Die Betroffenen sehen das anders.

Einer von ihnen ist Ramazan Dogar. Er trifft sich regelmäßig mit seinen Freunden im deutsch-türkischen Kulturverein. "Wir spielen Karten, reden über Politik, trinken Tee." Dogar bestätigt: "Klar, manchmal wird es auch etwas lauter.

Aber sobald sich jemand beschwert, gehen wir nach Hause." Das versichert auch ein evakuierter Nachbar des Kulturzentrums: "Gerade am Wochenende ging es oft bis ein, zwei Uhr. Wir haben uns auch schon mal beschwert, aber dann war auch Ruhe."

Den Brandstifter hat Dogar schon häufig gesehen: "Der steht immer auf seinem Balkon im zweiten Stock und fotografiert jeden, der in unser Lokal geht, ein absoluter Psychopath. Und ein Nazi." Wie er darauf kommt? "Na, was der schon für Sprüche gebracht hat! Und man sieht es ihm auch an: zwei Meter groß, Glatze, Springerstiefel."

Auch der Vorbesitzer des Lokals hat schon eine etwas intensivere Begegnung mit dem Brandstifter hinter sich. Im letzten Jahr sei er eines Abends mit einem Messer bewaffnet in das Vereinsheim gestürmt und habe die Anwesenden bedroht.

"Ihr Kanaken", habe er gerufen. "Euch kann man nicht abstechen, euch kann man nur verbrennen." - "Der hat das Feuer schon lange geplant", folgert der Vorbesitzer.

Auch Ertan, der in der Nacht zu Montag mit seinen Freunden im Kulturzentrum Karten spielte, sieht das so: "Na klar, war das geplant! Er war ja perfekt ausgestattet: Kanister, Feuer, Axt, Fischmesser - sowas hat man nicht einfach so im Haus."

Zudem habe der Mann von seinem Balkon aus einen vor dem Lokal stehenden Araber angetrieben, hineinzugehen. Erst danach sei er durch den Hintereingang in das Lokal gekommen, habe sofort den Kanister auf den Boden entleert und den Besitzer des Lokals mit der brennbaren Flüssigkeit beschüttet. Ob es wirklich Benzin war, ist nicht klar. "Das hat anders gerochen", sagt einer der Anwesenden.

"Ich hab die Schnauze voll. Ich verbrenn euch jetzt alle. Ich hasse euch", zitiert Ertan den Brandstifter. Als die Anwesenden ihn überwältigen und ihm die Waffen entwenden wollten, zündete er die Flüssigkeit an. "Direkt vor dem Feuerlöscher, sodass niemand mehr drankam", erinnert sich ein Augenzeuge. "Dann ist er weggerannt."

Die Gäste entkamen durch die Hintertür, die wegen des Sommerwetters offen stand. Noch im Hof fassten sie den Brandstifter und hielten ihn fest bis die Polizei kam. "Jetzt ist er glaub ich noch im Krankenhaus", sagt Ertan. "Wir haben ihm ganz schön zugesetzt. Aber das ist jawohl auch klar."

Die Mieter der oberen Stockwerke verließen rechtzeitig das Haus. "Wir haben überall geklingelt, geschrien und Steine gegen die Fenster geworfen, damit alle wach werden", erzählt Ertan. Verletzt wurde niemand.

Michael Bunk, Pressesprecher des Kreisverbandes der Feuerwehr, berichtet von der Nacht: "Um 23:06 Uhr wurden wir alarmiert. Fünf Minuten später waren wir vor Ort und hatten das Feuer bis halb drei unter Kontrolle." Bunk rückte mit 61 Kollegen der freiwilligen Feuerwehr an, um den Brand in den Griff zu bekommen. Zusätzlich waren an die sechzig Helfer vom Roten Kreuz und dem Technischen Hilfswerk vor Ort.

Auf einem provisorischen Behandlungsplatz, der auf dem Supermarktparkplatz aufgebaut wurde, wurden alle Betroffenen untersucht: "Niemand musste ins Krankenhaus." Als sich am frühen Morgen alle in Sicherheit wähnten, brach das Feuer erneut aus: "In den Hohlräumen zwischen den Stockwerken hat sich die Glut gehalten", erläutert Bunk.

Den Rest des Tages schiebt die Freiwillige Feuerwehr weiter Brandwache. Die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks schleppen derweil große Holzkonstruktionen in die Ruine, um die durchgebrannte Decke zu stützen. Ganz sicher scheint es noch nicht zu sein, jedenfalls bleiben die Anwohner evakuiert.

"Wir sind bei Freunden untergekommen", erzählt ein Nachbar des Kulturzentrums. "Heute Mittag durften wir einmal kurz in die Wohnung gehen, um uns umzuziehen. Aber wo wir jetzt bleiben? Keine Ahnung."

Mit dem Handeln der Polizei sind die Betroffenen nicht zufrieden. "Die sollen mal seine Wohnung untersuchen", meint Dogars Neffe Nevzad. "Dann können sie auch nicht mehr abstreiten, dass er ein Nazi ist. Sonst wird doch bloß wieder alles runtergespielt." Warum die Polizei nach der letzten Bedrohung des Mannes nicht eingegriffen habe? "Aus Beweismangel. Es ist ja niemand gestorben. Er hat uns ja nur bedroht", sagt Nevzad, der im letzten Jahr dabei war.

Diesmal ist die Sache klar. "Heute soll entschieden werden, ob er in Untersuchungshaft kommt oder nicht", sagt Polizeisprecherin Sandra Mohr. "Die Brandstiftung muss erst klassifiziert werden. Dann sehen wir, wie schwerwiegend der Fall war."

Dogar und sein Neffe hoffen, dass die Polizei die politische Motivation hinter dem Anschlag - sollte sie denn existieren - nicht totschweigt: "Wer weiß, was der noch so zuhause hat. Sprengsätze? Und wer weiß, was er mit den Fotos macht, die er von seinem Balkon aus schießt? Er ist wie eine schlafende Zelle."

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