Der Boxkampf Klitschko gegen Haye: Schrammen im Siegerlächeln

Gegen den Briten David Haye tut sich Wladimir Klitschko in einem hochklassigen Schwergewichts-Kampf schwer. Mit seiner defensiven Taktik löst er keine Begeisterung aus.

Typische Szene: Haye taucht ab, Klitschkos langer Arm geht ins Leere. Bild: dpa

HAMBURG taz | Ein Handschlag unter Männern, ein Lächeln auf beiden Seiten: Um 2.08 am frühen Sonntagmorgen scheint das Gezänk der vergangenen zwei Jahre vergessen. Wladimir Klitschko und David Haye begegnen sich freundlich. Jetzt muss nicht mehr über eine spektakuläre Ringschlacht orakelt werden.

Jetzt gilt es, über die Realität zu sprechen, über die gerade im Ring absolvierten zwölf Runden, über ein hochklassiges, aber sehr technisch geprägtes Gefecht, über einen Punktsieg Klitschkos, der die 40.000 nass geregneten, unterkühlten Fans im Hamburger Fußballstadion nicht so recht zu elektrisieren vermochte.

Den Knockout, den beide Kämpfer großspurig angekündigt hatten, gab es nicht zu sehen. Und einen aggressiven, alles riskierenden David Haye auch nicht. Der Brite boxte intelligent. Er schaffte es, trotz provokant zur Schau gestellter Deckungslosigkeit vielen der gefürchteten Klitschko-Jabs auszupendeln.

Er gab einfach nach, wenn Klitschko seine 110 Kilogramm auf seinen 96,5 ablegte und reduzierte Klammerattacken des neun Zentimeter größeren Ukrainers so und mit schnellen Füßen auf ein Mindestmaß. Aber ernsthaft gefährden konnte der 30-Jährige den Schwergewichts-Weltmeister der Verbände IBF und WBO nicht.

Die zu Tausenden angereisten britischen Fans, die vor dem Kampf das Wiegen, Hamburg und das Stadion in ihrer Hand hatten, die lauthals sangen, johlten und dem kalten Wetter in T-Shirts trotzten, wurden von Runde zu Runde leiser. Sie schienen sehr bald nach dem ersten Gong zu ahnen, dass Haye nicht würde halten können, was er versprochen hatte. Dass die Ära Klitschko im Schwergewichtsboxen noch längst nicht ihrem Ende entgegensteuert.

Wladimir Klitschko boxte, wie er eben boxt, seit er 2004 nach zwei bittere K.o.-Niederlagen zum Gespött der Szene geworden war: Diszipliniert, defensiv. Er nutzte seine Reichweite effektiv und zeigte gerade so viel Dominanz wie nötig. Das Resultat bewerteten die Kampfrichter im Hamburg mit 117:109, 118:108 und 116:110 Punkten für Klitschko. Damit nahm der Ukrainer Haye den WM-Gürtel der WBA ab und holte den vierten und letzten großen Schwergewichtstitel in die Familie. Der 35-Jährige ist jetzt Weltmeister der Verbände IBF, WBO und WBA, sein 39 Jahre alter Bruder Vitali ist Champion des WBC.

Nach dem Handschlag, den Haye seinem Gegner im Vorfeld des Kampfes immer verweigert hatte, gestand der ehemalige Cruisergewichts-Weltmeister Klitschko zu, einen "perfekten Kampf" gemacht zu haben. "Ich habe ein paar Punches genommen, mehr als normalerweise." Klitschko kam für sich zu einem ähnlichen Schluss: "David hat mich wirklich gefordert, ich komme nicht jedes Mal nach einem Kampf mit Kratzern im Gesicht zu einer Pressekonferenz."

Und dann war es schon wieder vorbei mit der Kuschelstimmung, denn Haye gab als einen Grund für seine mangelnde Durchschlagkraft an, sich vor drei Wochen einen Zeh des rechten Fußes gebrochen zu haben. Klitschko kletterte wieder auf sein hohes Ross, von dem aus er Hayes Gebaren zuletzt gern beurteilt hatte und sagte: "David, ich gebe Dir einen Rat, tu das nicht, du wirst als schlechter Verlierer dastehen." Und: "Boxerisch war David sehr gut, menschlich bin ich weiter enttäuscht von ihm."

Der aufsässige Engländer hatte sich auch in Hamburg mal wieder nicht an das Drehbuch der Klitschkos gehalten und seinen Einmarsch um 15 Minuten verzögert. Vitali, der ältere Klitschko, fand deutliche Worte dafür: "Der Junge hat überhaupt keinen Respekt vor dem Gegner, vor anderen Menschen. Dafür wird er nicht nur im Sport, sondern auch im Leben bestraft."

Haye wirds egal sein. Er hat zwar seinen Titel verloren, sonst aber alles erreicht: Er hat einen guten Kampf gemacht, er hat dabei seine eigene Gesundheit so wenig wie möglich gefährdet, er hat die maximale Kampfbörse herausgeholt und will vor seinem 31. Geburtstag am 13. Oktober ohnehin seine Karriere beenden.

Für die Klitschkos hingegen geht es weiter. Sie haben gerade erst einen Vertrag mit ihrem Fernsehpartner RTL über fünf weitere Kämpfe abgeschlossen. Den nächsten bestreitet Vitali Klitschko am 10. September in Breslau gegen den Polen Tomasz Adamek. Wen Wladimir sich jetzt vornehmen will, darüber schwieg er sich nach seinem Sieg in Hamburg noch aus. Er wollte lieber erst mal feiern gehen.

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