Verdacht auf Täuschung des Landtages: Bundespräsident Wulff in Erklärungsnot
Wulffs Glaubwürdigkeit ist angekratzt. Während er in Kuwait weilt, kommen weitere Details über den 500.000 Euro-Privatkredit ans Licht. Die Grünen fühlen sich getäuscht.
BERLIN/HANNOVER taz/dpa | Eine alte Geschichte holt Christian Wulff jetzt ein. Als er noch Ministerpräsident von Niedersachsen war, nahm Wulff von der befreundeten Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro an. Mit dem Geld kaufte er sich in Burgwedel bei Hannover, dem Heimatort seiner Frau Bettina, im Jahr 2008 ein Haus.
Doch als er im Februar 2010 im Landtag von Hannover gefragt wurde, ob er geschäftliche Beziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens - dem Ehemann seiner Kreditgeberin - unterhalte, verneinte er dies. Das bringt den Bundespräsidenten jetzt in Bedrängnis.
Die Grünen im niedersächsischen Landtag werfen Wulff vor, das Parlament damals getäuscht zu haben, weil er den Privatkredit verschwieg. Er bekam ihn zu günstigeren Konditionen als damals üblich. Das Bundespräsidialamt wies den Vorwurf zurück. In Berlin ließ der Sprecher des Bundespräsidenten, Olaf Glaeseker, mitteilen, die Anfrage der Grünen sei damals "korrekt beantwortet" worden. Geschäftliche Beziehungen zu Egon Geerkens "bestanden und bestehen nicht", so Wulffs Sprecher.
Die Grünen kritisieren diese "recht haarspalterischen Auslegungen" und sprechen von "Täuschung". Seine wirtschaftlichen Abhängigkeiten habe Wulff "im Nebel gelassen", monierte der Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel in Hannover.
"Ausführlich mit Dokumenten dargelegt"
Die Bild-Zeitung hat die Affäre jetzt publik gemacht - und findet auch, Wulff habe den Landtag getäuscht. Zwischen dem Blatt und dem Bundespräsidialamt gab es im Vorfeld der Veröffentlichung bereits einen regen Briefverkehr. Der Bild-Zeitung und anderen Journalisten sei der Sachverhalt in den zurückliegenden Wochen "ausführlich mit Dokumenten dargelegt worden", erklärte der Sprecher des Bundespräsidialamtes, Glaeseker.
"Dabei wurde auch der Name der Kreditgeberin gegen die Zusage genannt, diesen aus Gründen des Datenschutzes und des Schutzes von Persönlichkeitsrechten nicht zu veröffentlichen, weil es sich um eine Privatperson handelt", gibt er sich jetzt über die Indiskretion verschnupft.
Kein Geheimnis ist allerdings, dass Christian Wulff mit Egon Geerkens schon lange befreundet ist. Der 67-jährige Unternehmer aus Osnabrück hat mit Rohstoffen, Schrott, alten Autos, Antiquitäten und Schmuck ein Vermögen gemacht und war bei der ersten Hochzeit des CDU-Politikers dessen Trauzeuge.
Obwohl er seinen Wohnsitz schon 2003 in die Schweiz verlagerte und seit 2007 nicht mehr geschäftlich in Niedersachsen aktiv war, nahm Geerkens dreimal an Wirtschaftsdelegationen teil, die Wulff auf seinen Auslandsreisen begleiteten. Und 2009 lud er Wulff und dessen neue Frau Bettina ein, ihren Weihnachtsurlaub in seiner Villa in Florida zu verbringen. Kostenfrei, "wie unter Freunden üblich", erklärte Wulff später auf Anfrage der SPD.
Kostenlos in Business-Class hochstufen lassen
Dieses enge Verhältnis stieß der Opposition im niedersächsischen Landtag auf. Der Flug nach Florida wuchs sich für Wulff sogar zur regelrechten Affäre aus, weil er und seine Frau Bettina sich - entgegen den Bestimmungen des niedersächsischen Ministergesetzes - von der Fluggesellschaft Air Berlin kostenlos von der Economy- in die Business-Class hatten hochstufen lassen.
Wulff sah den Fehler ein und zahlte die Differenz in Höhe von 3.000 Euro nach. Auch den Privatkredit scheint er nach der Parlamentsanfrage im Landtag als Problem begriffen zu haben. Jedenfalls löste er ihn nur ein paar Tage später - und wenige Monate vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten - durch einen regulären Kredit bei der BW Bank in Stuttgart ab. Sonst wäre der Darlehensvertrag mit der Unternehmerfrau noch bis November 2013 gelaufen.
"Ein Politiker darf solche Vorteile nicht annehmen", zürnt Niedersachsens SPD-Fraktionschef Stefan Schostok. Er findet, "dass Wulff sich konsequent in einer Grauzone bewegt". Damit spielt Schostok auf den Urlaub an, den Wulff auf dem Anwesen des Finanzunternehmers Carsten Maschmeyer auf Mallorca verbrachte, kurz nachdem er zum Staatsoberhaupt gewählt worden war.
Freundschaftliche Verbindungen zwischen Ministerpräsidenten und reichen Geschäftsleuten haben in Niedersachsen allerdings fast schon Tradition. Bereits Wulffs Amtsvorgänger als niedersächsischer Ministerpräsident, Gerhard Schröder, verstand sich prächtig mit Maschmeyer, der im Bundestagswahlkampf 1998 großzügig Wahlkampfanzeigen für Schröder spendierte.
Leser*innenkommentare
Personalberater
Gast
Für den Fall, dass das einzige Einpersonen-Verfassungsorgan seinen Aufgaben charakterlich nicht gewachsen ist, sollte man über eine Verfassungsorgantransplantation nachdenken. So ein Amt ist ja schneller beschädigt als einem lieb sein kann.
Wolfgang Banse
Gast
Rücktrittsforderung
Der amtierende Bundespräsident der Bundeerepublik-Deutschland Christian Wulff sollte auf Grund des aufgedeckten Privatkredits aus Unternehmerhänden seinen Rücktritt erklären.
Sich und der Bevölkerung der Bundesrepublik-Deutschland würde er damit einen Dienst erweisen.
emil
Gast
habe mich noch nie weniger repräsentiert gefühlt, also von diesem jungspund. ausser vielleicht vom papst, aber der ist ja nicht mehr im lande.
Personalberater
Gast
Wo ist das Problem? Wir wollen weder Heilige noch Scheinheilige, sondern Talente. Bei Neelie sind sicher noch ein paar Stellen vakant.
markus nieden
Gast
das dumme ist nur,daß so ein Braves-Bubi-Gesicht,
das auf höchster Position eitel Recht und Wahrheit vor dem Volke vor-grinsen soll,
dann doch ziemlich frierend dasteht vor solchen enthüllungen
und man das dumme Gefühl nicht loskriegt:
was will der feiste Grinsemann uns denn da vormachen?
wie toll es ist ,an erster Position im Staat alle zum Narren zu halten?
zu sagen hat er ja eh nix,ist ein schleimer und Anbiederer...
blöd auch ,dass so eine Schießbudenfigur so gar nicht Vertrauen in einen deutschen Staat fördert,der
grad ganz andere Sorgen kennt.
also weg mit dem Blödgrinsenmann aber schleunigst---
und seine Mitgrinsliesel gleich mit .
parasitäres Schildbürgerpack!
Brigitte Flachmann
Gast
Leider ist die Kreditaffäre nicht der letzte Fall in der Akte Wulff.Es werden noch viel gravierendere Verfehlungen aufgedeckt werden, die man nicht mehr schön reden kann und die Herrn Wulff das Amt kosten werden!
hamlet
Gast
"Die Grünen fühlen sich getäuscht." Haha. Die Grünen. Fühlen sich getäuscht. Wer selbst so gut zu täuschen in der Lage ist, will hier wohl symbolisch einen Hut ziehen.
Wolfgang
Gast
Geld stinkt nicht, nicht gestern und nicht heute.
Sandra
Gast
So, so. Schröder machte 2008 noch Wahlkampf?
[Es muss korrekt 1998 heißen und es handelte sich damals um Anzeigen im Bundestagswahlkampf. Danke für den Hinweis. Wir haben es korrigiert. Die Red./wlf]
Wolf
Gast
Mehr als G'schmäckle
Ein Verwandter von mir hatte einen Dienstwagen, samt Fahrer. Es war für ihn selbstverständlich, dass kein Familienmitglied, nicht mal seine Ehefrau oder gar Freunde jemals mit diesem Dienstwagen unterwegs waren, um niemals den Verdacht aufkommen zu lassen, Privates und Dienstliches zu vermischen. Er nannte dies Treue zu seinem Staat als Arbeitgeber und dass er kein Vorbild für seine Kinder und Enkel sein könne, wenn er auch nur eine Ausnahme machen würde.
Was sagen Sie dazu, Herr Wulff?
Gehören Sie zu einer neuen Generation von Vorbildern?
Vorbildlich wäre jetzt ein kommentarloser Rücktritt.
tazitus
Gast
Igitt. So was baut man ja nicht mal mehr in Westerkappeln. Passt aber zu Wulff. Seiner Frau hätte ich mehr Geschmack zugetraut.
Immer Blind
Gast
Warum machen eigentlich die relativ harmlosen Geschichten mehr Schlagzeilen? Anstatt, daß Merkel wegen Massenmord nach Den Haag muß, wird sich über Guttenberg aufgeregt und jetzt Wulf. Keinen Wirbel machte dagegen, daß Wulf seinen Staatsbesucher Gül zum Dönern in Kreuzberg in ein Faschistenlokal ausführte; sehr lecker!
P.Haller
Gast
Is ja lustig, jetzt werden schon deutsche Schrotthändler als Wirtschaftsdelegation geführt.
Bin mal gespannt, wann die Imbissbudenbesitzer dran sind.
Was geht hier momentan eigentlich ab, im Land de Dichter und Denker ?? Ich denke, die sind nicht mehr alle dicht !!
tageslicht
Gast
Meine Güte. Nun macht mal nicht so einen Riesenwind um so eine Lapalie.
Leser
Gast
Der Bundespräsident hat sich privat bei der Frau eines Freundes / Geschäftsfreundes Geld für sein Einfamilienhaus gliehn. Hat er damit nun eine geschäftliche Beziehung zum Unternehmen des Mannes.
Die Antwort lautet nein!
Summa summarum ist dieser Vorfall IMHO nicht erwähnenswert( Was nicht heißt das man die Berihterstattung über ihn nicht kommentieren soll)