Die Kleinsparer sind wütend, der Präsident reagiert hilflos

ZYPERN Am Montag soll das Parlament dem EU-Rettungskredit zustimmen – Ausgang ungewiss

Mit nur einer Gegenstimme im Regierungslager könnte Zypern in die Staatspleite rutschen

BERLIN taz | Einer kam sogar mit dem Bulldozer. Der Mann parkte sein Großgefährt am Samstag vor einer Koop-Bank im zyprischen Dorf Kyperounda und kündigte an, in die Bank einzubrechen. Am Ende beließ er es dann doch bei seiner Drohung.

Die Empörung unter den Zyprern über den EU-Rettungskredit, der in der Nacht zum Samstag in Brüssel beschlossen wurde, ist gewaltig. Alle Sparer, vom bedürftigen Rentner bis zum Multimillionär, müssen einen Teil ihres Geldes abschreiben: 5,8 Milliarden Euro sollen so zusammenkommen. Wütende Bewohner versuchten am Samstag bei den wenigen geöffneten Geldinstituten, an ihre Spargroschen zu kommen – vergeblich. Die Banken schlossen ihre Pforten und schalteten das Onlinesystem ab.

Am Automaten ist es seither zwar weiter möglich, Geld zu ziehen. Sie spucken aber nur kleinere Beträge aus. Unklar blieb zunächst, ob der Kontostand von Samstagfrüh als Zeitpunkt für die Höhe der Zwangsabgabe gilt. „Ich bin extrem wütend. Ich habe Jahre über Jahre gearbeitet, um dies anzusparen, und jetzt verliere ich es, weil die Niederländer und Deutschen es sagen“, erklärte ein 54-jähriger Mann gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Ein Rentner sagte: „Das ist schlicht und einfach Diebstahl.“

Am Montag bleiben die Banken auf Zypern wegen eines Feiertags geschlossen. Geöffnet wird dagegen das Parlament in Nikosia, das dem umstrittenen Rettungspaket in Höhe von 10 Milliarden Euro zustimmen soll.

Das Ausgang ist noch offen. Die Partei Demokratische Sammlung des erst im Februar gewählten Präsidenten Nikos Anastasiades verfügt zusammen mit der Demokratische Partei über 28 von 56 Sitzen.

Die Linkspartei Akel und die sozialdemokratische Edek erklärten am Sonntag, sie würden dem EU-Deal nicht zustimmen. Nur ein einziger Opponent innerhalb der Regierungskoalition würde also genügen, und Zypern stünde ganz ohne Kredit da und könnte unkontrolliert in die Staatspleite rutschen.

Eine Mischung aus Wut und Angst über die Zwangsabgabe überwog am Samstagmorgen um 3 Uhr in Brüssel auch in der zyprischen Verhandlungsdelegation: „Es ist etwas ganz Furchtbares passiert“, erklärte ein Diplomat der taz. Anfangs habe Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gar vorgeschlagen, dass die Sparer glatte 40 Prozent ihrer Einlagen verlieren sollten, heißt es aus der Umgebung der Delegation. Zweimal drohte Präsident Anastasiades damit, den Saal zu verlassen, zweimal wurde er zum Bleiben überredet.

Noch vor Kurzem hatte der Präsident versichert, offenbar bestärkt durch eine Bemerkung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine Sparerbeteiligung sei vollkommen ausgeschlossen. Nun bestanden offenbar ausgerechnet die Deutschen darauf.

Anastasiades blieb nichts anderes übrig, als das Paket so zu akzeptieren. „Wir wurden mit Beschlüssen konfrontiert, die schon gefallen waren“, klagte er. „Für den Dienstag, dem 19. März, hatten wir die Wahl zwischen einem katastrophalen Szenario eines ungeregelten Bankrotts oder einem schmerzhaften, aber kontrollierten Management dieser Krise.“

Eine weitere Gefahr droht jetzt nach Ansicht zyprischer Experten – ein Run auf die Banken. Egal ob reiche Russen, pensionierte Briten, zyprische Kleinsparer oder institutionelle Anleger aus dem Ausland: Sie alle könnten auf die Idee kommen, ihre Guthaben und Depots abzuziehen. Das aber würde den Geldhäusern, die wegen des griechischen Euroschuldenschnitts in Schieflage geraten waren, weitere schwerwiegende Probleme bereiten.

Zudem fürchten viele Zyprer, dass ihr Land nun noch weiter in die Krise rutscht. Denn das Geld, das nun als Zwangsabgabe verschwindet, kann nicht mehr in der realen Wirtschaft ausgegeben werden – sei es für eine Fassadenrenovierung, den Kauf eines Gebrauchtwagens oder zur Finanzierung des Studiums der Kinder. Bei knapp 15 Prozent liegt derzeit die Arbeitslosigkeit, unter jungen Leuten sind gar doppelt so viele ohne einen Job. Die ganz Armen, die vor den Kirchen auf einen kostenlosen Laib Brot warten, haben bereits all ihr Erspartes aufgebraucht.

Doch schon bald könnte ihre Zahl noch weiter wachsen.

KLAUS HILLENBRAND