Entschiedene Stimme Italiens

Seit 1976 ist die heute 65-jährige Emma Bonino mittendrin in der italienischen Politik. Damals zog sie mit gerade 28 Jahren ins Parlament ein, als Abgeordnete der kleinen Bürgerrechtspartei der Radikalen. Parlament, EU-Kommission, Regierung: Über die Jahre sammelte Bonino hohe Ämter, doch anders als das Gros ihrer Kollegen galt sie nie als eine, die gierig auf Posten ist.

Von Anfang an nämlich demonstrierte die kleine, zierliche und zugleich beinharte Frau, dass es ihr um die Anliegen ging, für die sie stritt. Schon vor ihrer Parlamentskandidatur war sie bekannt geworden, als Gründerin illegaler Beratungs- und Abtreibungszentren für schwangere Frauen in einem Italien, in dem noch die katholische Kirche den Ton angab und Abtreibung deshalb generell verboten war.

Das wollte Bonino immer schon: Italien entrümpeln. Ausgerechnet auf Silvio Berlusconi setzte sie aus diesem Grund, als der 1994 in die Politik einstieg: Die radikale Partei gehörte zunächst zu seinen Unterstützern, weil er eine „liberale Revolution“ verhieß. Berlusconi machte Bonino als Dank zur EU-Kommissarin. In den Jahren 1995–1999 fiel die Kommissarin mit dem bunten Portefeuille für humanitäre Hilfe, Verbraucherschutz und Fischereifragen als Kämpferin auf, die sich keinem Konflikt entzog, wenn es ihr nötig schien, die in Jugoslawien während des Bürgerkriegs so präsent war wie in den Flüchtlingslagern in Kongo und dann zu einer der Hauptverfechterinnen der Schaffung des Internationalen Kriegsverbrechertribunals wurde.

Zurück in Italien wendete sie sich mit ihrer Partei wieder der Linken zu. 2006 wurde sie Europaministerin unter Romano Prodi. Seitdem wurde Bonino immer wieder für die höchsten Ämter gehandelt, im Gespräch war sie, die von rechts bis zu Grillos 5-Sterne-Bewegung Sympathien genießt, als Kandidatin auch für das Amt des Staatspräsidenten. Denn trotz jahrzehntelanger politischer Aktivität ist ihr Ruf als Streiterin für die Bürger makellos geblieben ist. Gewinnend im Auftritt verbürgt die neue Außenministerin vor allem eines: Italien wird international eine deutlich vernehmbare und in der Sache entschiedene Stimme haben. MICHAEL BRAUN

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