MANGO
: Das innere Feuer

FELIX LEE AUS PEKING

Sommerzeit ist in meinem Fall Feuerzeit. Das zumindest erklärte mir neulich meine Obstverkäuferin. Tatsächlich habe ich das Gefühl, Temperaturen oberhalb von 25 Grad ertrage ich schlechter als meine Mitmenschen. Ich schwitze nicht nur und mir wird furchtbar heiß, auch meine Füße und Hände fangen dann bedenklich zu glühen an.

Das liegt an meinem „inneren Feuer“, weiß ich jetzt von meiner Obstverkäuferin. Und dass es wichtig sei, dieses „innere Feuer“ in Schach zu halten. Deshalb müsse ich mehr achtgeben auf das, was ich zu mir nehme, gab sie mir mit auf den Weg. So seien Wassermelonen gut für mich, Gurken, Karotten und grüne Linsen auch. Nicht zu viel Süßes sollte ich hingegen essen, nichts Frittiertes, möglichst auch nicht scharf und auf keinen Fall Mangos und Litschis – ausgerechnet meine Lieblingsfrüchte. Ich kaufte umgehend eine riesige Wassermelone und zwei Gurken ab. Und tatsächlich: Am Abend war mir gleich sehr viel weniger heiß.

Nun ist es nicht so, dass ich alles glaube, was mir hier in Peking so erzählt wird. So soll ich zum Beispiel unbedingt einen Raumteiler vor dem Eingangsbereich meiner Wohnung aufstellen, empfahl mir eine Freundin, weil sonst böse Geister leichter Zutritt hätten. Stolperfallen und Spiegel würden es aber auch tun. Als ich neulich einen Wecker verschenken wollte, der, statt zu klingeln, auf Chinesisch krähend Guten Morgen wünscht, wollte der Beschenkte ihn nicht annehmen. Uhren würden zeigen, wie vergänglich das Leben sei, und ich würde ihm mit diesem Geschenk quasi den Tod wünschen. Und auf gar keinen Fall soll ich im Flugzeug in Reihe 14 sitzen. Zehn und vier klingen auf Chinesisch nämlich ähnlich wie Tod. Dass ich seitdem auf Flügen immer einen Platz in Reihe 14 buche, in der Hoffnung, eine ganze Reihe für mich zu haben, erzähle ich lieber niemanden. Sie halten mich sonst für lebensmüde. Übrigens gibt es in den meisten Hochhäusern auch keinen 14. Stock – und einen 13. auch nicht. Die Unglückszahl 13 haben die Chinesen aus Europa importiert.

Aber das mit dem inneren Feuer überzeugt mich irgendwie schon. Der traditionellen chinesischen Medizin zufolge geht es um Wärmeenergie im Körper (Huoqi), die bei dem einen mehr ausgeprägt ist, bei dem anderen weniger. Ich gehöre anscheinend zu dem Typus, der zur Hitze neigt. Im Winter habe ich fast immer warme Füße, im Sommer hingegen kommt es bei mir zu Wärmeausbrüchen. Doch damit nicht genug. Wenn ich im Sommer in großen Mengen Früchte esse, die mein inneres Feuer auflodern lassen, neigt mein Körper zu Entzündungen, Akne und Pickel. Dieses Feuer lässt sich auch nicht mit einer kalten Dusche oder literweise Eistee löschen. So einfach ist das leider nicht. Kiloweise Schokoladeneis kühlt meinen Körper auch nicht ab. Heiße Linsensuppe, Birnenkompott und rote und grüne Bohnen hingegen schon.

Tatsächlich merke ich, dass Melone oder heißer Chrysanthementee bei mir für angenehme Frische sorgen. Die Obstverkäuferin gab mir obendrein den Tipp, früh ins Bett zu gehen. Denn auch zu wenig Schlaf heize meinen Körper an. Eine deutsche Freundin von mir, die dem Glauben des inneren Feuers sehr viel mehr verfallen ist als ich, klagt seit je über kalte Hände und Füße. Sie hat vor Kurzem einen Meister der chinesischen Medizin aufgesucht und sich über viele Tage hinweg spezielle Kräutersude mischen lassen und sich eingeflößt. Ein paar Wochen später sollte ich ihre Hände anfassen. Und siehe da: Sie waren angenehm warm.

Offensichtlich hat sie es aber mit den Kräutersuden etwas übertrieben. Als wir neulich wieder einmal zusammen essen waren, wollte sie zum Nachtisch keinen Mangopudding essen.