Teetrinken in vollen Zügen

Als Studentin habe ich sechs Monate in Beijing verbracht. Das ist schon lange her, das Leben war damals noch sehr anders. Zum Beispiel der Transport: Es gab keine Privatautos. Aber als ausländische Studentin mit dem entsprechenden Ausweis konnte ich Zugtickets kaufen. Und wenn man direkt aus Beijing, also von der Endstation einer Linie, abgefahren ist, hat man sogar einen Sitz oder eine Schlafkoje zum Liegen bekommen. Diese Zugfahrten haben ewig gedauert, und es war wahnsinnig eng: immer drei Kojen übereinander und am Fenster ein winzig kleiner Tisch. Jeder hat immer seinen eigenen Becher mitgenommen, so konnte man sicherstellen, dass er wirklich sauber ist, und eigenen Tee. Im Zug ist dann alle paar Stunden jemand mit heißem Wasser durchgegangen, so hatte man etwas zu trinken.

Man saß da also an diesem winzig kleinen Tisch, mit einem Teebecher, eingepackt in eine Jacke, hat aus dem Fenster geschaut und für zwei oder sechs oder zwanzig Stunden zog einfach die Landschaft vorbei. Und man hat sich eine Weile mit den Leuten unterhalten, und wenn man keine Lust mehr darauf hatte, hat man gelesen und dann wieder aus dem Fenster geschaut … Natürlich war das eine Art von Warten darauf, dass die Zeit vergeht, dass man ankommt. Aber es hat sich gleichzeitig angefühlt wie außerhalb der Zeit. Wie in einer Blase relativer Behaglichkeit in einem Land, in dem man – kaum war man aus dem Zug gestiegen – entweder angeschrien oder ignoriert wurde.

Ich habe es geliebt, dieses Reisen. Es waren kleine magische Momente.

Mitchell Baker, 55, ist Vorsitzende der Mozilla Corporation