Emanzipation vom Mäzen

RELEGATION Hoffenheim schlägt Kaiserslautern wieder und bleibt erstklassig. Trainer Gisdol ist es tatsächlich gelungen, dem Team neues Leben einzuflößen

KAISERSLAUTERN taz | Alexander Rosen ist ein Mann ohne Allüren, aber Montagnacht kam auch er nicht ohne Pathos aus: „Wir haben die junge Geschichte dieses Klubs um ein erstaunliches Kapitel bereichert und vielleicht mit dem Sieg am letzten Spieltag in Dortmund auch ein klein wenig Bundesliga-Geschichte geschrieben.“ Alexander Rosen ist vor acht Wochen aus der Nachwuchsabteilung zum „Leiter Profifußball“ bei der TSG 1899 Hoffenheim befördert worden. Mit ihm kam Trainer Markus Gisdol. Rosen ist der dritte Manager in dieser Saison, Gisdol der vierte Trainer. Im Prinzip lässt sich diese Runde der TSG seitdem in zwei ungleich große Teile einteilen: bevor Gisdol und Rosen kamen – und danach. Am Montagabend aber feierte der Bundesliga-Sechzehnte den Klassenerhalt nach dem 2:1-Sieg beim 1. FC Kaiserslautern im zweiten Relegationsduell. Das Hinspiel vergangenen Donnerstag hatte die TSG 3:1 gewonnen. Das, was in den letzten knapp acht Wochen passiert ist, nennen sie in Hoffenheim nun „ein kleines Fußballwunder“. Damals schien der Klub unaufhaltsam den Weg in die zweite Liga zu gehen. Dass diese Saison nicht so alptraumhaft endete, wie sie sich über drei Viertel der Strecke angefühlt hat, verdanken sie in Hoffenheim vor allem Gisdol.

Mit seiner Geradlinigkeit, seiner Konsequenz und seiner kommunikativen Art schaffte Gisdol, ein durch die vielen Personal- und Richtungswechsel der letzten Jahre verloren gegangenes Gemeinschaftsgefühl zu wecken. „Der Trainer hat uns wiederbelebt“, sagt Andreas Beck, der Kapitän. Nach dem Abpfiff stand der Trainer mit Megafon in der Hand als Vorsänger auf dem Zaun der Fankurve und dirigierte die Jubelfeiern. Der Schlüssel zum Erfolg, erklärt Gisdol, sei die Bereitschaft der Spieler gewesen, sich als Team zu entwickeln. Gisdol war der erste Trainer seit seinem Mentor Ralf Rangnick, der das Vertrauen der Profis bei diesem komplizierten Klub gewinnen konnte. Seine Strategie, im Abstiegskampf das Wort „Abstiegskampf“ nicht in den Mund zu nehmen und sich auf die sportliche Entwicklung der Mannschaft zu fokussieren, erwies sich als Erfolgsmodell.

Montagnacht sprengten die Spieler der TSG die Pressekonferenz, als sie ihren Trainer auf dem Podium mit Bier überschütteten und sangen: „Hoffe ist der geilste Klub der Welt.“ Man sollte die Hoffenheimer Profis besser nicht fragen, ob sie das vor fast acht Wochen auch gesungen hätten – Meineid-Gefahr. Durch die Konsequenz, mit der Gisdol seinen Worten Taten folgen ließ und Transferflop Tim Wiese sowie manch anderen Fehlkauf seiner Vorgänger degradierte und auf die jungen Spieler und offensiven Fußball setzte, kam der Glaube an bessere Zeiten. Plötzlich herrschte Aufbruchstimmung. Mit Gisdol scheint nun endlich ein Trainer am Werk, der sich vor dem einflussreichen Mäzen Dietmar Hopp und dessen Einflüsterern emanzipieren könnte. Selbst verschuldet hatte sich der Klub ja ohne Not an den Rand des Abstiegs manövriert. Bis Gisdol kam, der nun den Kader weiter verkleinern und verjüngen will.

TOBIAS SCHÄCHTER